Problemtypen 6 - Redekennzeichnende Ausdrücke
1. Wozu und wie verwendet man redekennzeichnende
Ausdrücke?
2. Zum Wortschatz der Redekennzeichnung in
wissenschaftlichen Texten
3. Übungen
In Textzusammenfassungen, Hausarbeiten und anderen wissenschaftlichen
Texten werden häufig Gedanken und Darstellungen aus anderen
wissenschaftlichen Texten wiedergegeben. Wie wir in Problemtypen 1 - Textwiedergabe erklärt
haben, ist Textwiedergabe eine Form der Redewiedergabe, in der
redekennzeichnende Ausdrücke (auch funktionskennzeichnende
Ausdrücke genannt) eine wichtige Rolle spielen. Mit den
redekennzeichnenden Ausdrücken geben wir wieder, wie wir Sätze oder
Textteile in einem Ausgangstext verstehen, beispielsweise als
Beschreibung, als Erklärung oder als
Bewertung. Natürlich können wir auch unsere eigenen
Absichten in einem Text mit redekennzeichnenden Ausdrücken
signalisieren, z.B. wenn wir ankündigen, dass wir im nun folgenden
Abschnitt unserer Arbeit die Grundannahmen der Theorie T1
diskutieren wollen.
Hier geben wir zunächst einige Beispiele für redekennzeichnende
Ausdrücke unterschiedlicher syntaktischer Form und
unterschiedlicher Komplexität
Beispiele für redekennzeichnende Ausdrücke
- behaupten, beschreiben, darstellen, bewerten, analysieren,
untersuchen, diskutieren;
- Behauptung, Einwand, Kritik, Argument;
- eine Auffassung vertreten, eine These formulieren, eine Regel
formulieren, eine Vermutung/ Bedenken/ Zweifel/ Kritik äußern, ein
Beispiel geben, einen Hinweis geben auf, Methoden reflektieren;
- etwas anhand eines Beispiels illustrieren/ verdeutlichen, sich mit
einer Position detailliert auseinandersetzen, einen Beitrag zur
Weiterentwicklung einer Theorie leisten
Bei der Verwendung von redekennzeichnenden Ausdrücken in der
Textwiedergabe spielen vor allem zwei Prinzipien eine Rolle,
die auch miteinander zusammenhängen, das Prinzip der
Originaltreue und das Prinzip der Genauigkeit. In
anderen Worten: Man sollte versuchen, die Intentionen des Autors
wiederzugeben, die er mit seinem Text oder mit Teilen seines Texts
verfolgt, und man sollte versuchen, das ausreichend genau zu
tun. Nehmen wir an, ein Autor beschreibt in einem Abschnitt seines
Texts Eigenschaften einer Theorie T und lässt erkennen, dass dies
Eigenschaften einer schlechten Theorie sind. In diesem Fall wäre die
Reichweite seiner Intention wohl nicht ausreichend genau getroffen,
wenn wir sie wie in (1) angeben würden, schon eher mit der Angabe (2)
(1) |
A beschreibt im letzten Abschnitt dieses Kapitels die Eigenschaften
der Theorie T
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(2) |
A setzt sich kritisch mit der Theorie T auseinander, indem er
problematische Eigenschaften dieser Theorie zeigt.
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Zur Dosierung der Genauigkeit können unterschiedlich spezifische
Kennzeichnungen nötig sein. Eine häufig verwendete, relativ
unspezifische Kennzeichnung eines Textstücks ist der Ausdruck
Darstellung. So sprechen wir in einem der Abschnitte dieses
Textstücks beispielsweise von unserer Darstellung des funktionalen
Textbausteins Beschreibung. Eine Darstellung kann eine
Beschreibung sein oder eine Diskussion, d.h. mit den Ausdrücken
Beschreibung und Diskussion macht man spezifischere
Angaben zur Art der Handlung als mit Darstellung. Eine
spezielle Form der Beschreibung, die darin besteht, einzelne
Gegenstände in Teilmengen zu ordnen, können wir als
Klassifizierung bezeichnen. Weitere Spezifizierungen kann man
durch die Hinzufügung von Attributen machen: eine polemische
Diskussion, eine detaillierte Beschreibung, eine Analyse mit
strukturalistischen Methoden.
Zur Auseinandersetzung mit einem Ausgangstext kann auch eine kritische
Stellungnahme gehören, die man aber als solche erkennbar machen
sollte. Nehmen wir an, ein Autor versucht eine These zu beweisen,
indem er Argumente für diese These vorbringt. Nun kann es sein, dass
uns diese Argumente nicht überzeugen. In diesem Fall würden wir seinen
Text nicht mit (3) beschreiben, sondern vielleicht mit (4) oder (5):
(3) |
A beweist im ersten Kapitel seines Buches seine These, dass ...
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(4) |
A versucht im ersten Kapitel seines Buches seine These zu beweisen.
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(5) |
A bringt im ersten Kapitel seines Buches Argumente für seine These vor.
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PROBLEM |
Bei der Kennzeichnung von sprachlichen Handlungen und Textelementen
gibt es häufig Probleme mit folgenden Aspekten:
- die Kennzeichnung gibt die Intention des Autors (die Funktion des
Textelements) nicht korrekt wieder,
- die Kennzeichnung gibt die Intention/ Funktion nicht ausreichend
genau wieder,
- der Grad der Spezifik der Kennzeichnung wird nicht bedacht,
- die Rolle der eigenen Stellungnahme wird nicht bedacht bzw. nicht
deutlich gemacht.
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TIPP |
Machen Sie sich selbst eine Liste nützlicher redekennzeichnender
Ausdrücke.
Benutzen sie dazu die Beispiele aus diesem Textbaustein. Notieren Sie
sich derartige Ausdrücke, wenn Sie Rezensionen oder Forschungsberichte
lesen. Beobachten Sie, welche Ausdrücke die Autoren wissenschaftlicher
Texte selbst verwenden, um ihre Handlungen zu
charakterisieren. Experimentieren Sie mit dem Grad der Genauigkeit und
der Differenzierung unterschiedlicher Kennzeichnungen.
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Für die Wiedergabe der wissenschaftlichen Handlungsformen, die sich in
Texten zeigen, hat sich in ein Wortschatz eingebürgert, den man kennen
muss, um ausreichend differenzierte Redekennzeichnungen machen zu
können. Dieser Wortschatz ist in unterschiedlichen Wissenschaften oder
Zweigen einer Wissenschaft unterschiedlich. Im Folgenden wollen wir
einige Beispiele für redekennzeichnende Ausdrücke geben, die in der
Linguistik häufig verwendet werden. Diese Beispiele erheben keinerlei
Anspruch auf Vollständigkeit. Sie dienen vor allem dem Zweck, Ihre
Aufmerksamkeit auf Möglichkeiten und Probleme der Redekennzeichung zu
lenken. Sie sind geordnet nach den Aspekten von Texten, die man damit
kennzeichnen kann.
2.1 Kennzeichnung von einzelnen sprachlichen Handlungen und ihren
Aspekten
Bei der Textwiedergabe werden häufig einfache sprachliche Handlungen erwähnt, die typischerweise mit einem Satz realisiert werden. Beispiele dafür sind
behaupten, begründen, bezweifeln, einen Einwand machen, fragen,
fordern, empfehlen, darauf hinweisen, dass
Auch Teile oder Aspekte sprachlicher Handlungen können bei
Textwiedergaben berücksichtigt werden. Wir sagen z.B., dass jemand
- auf einen bestimmten Gegenstand Bezug nimmt (referiert),
- mit einem Satz einen bestimmten Sachverhalt ausdrückt,
- einen bestimmten Ausdruck verwendet,
- bei einer Feststellung eine bestimmte Voraussetzung macht,
- einen Einwand macht, indem er feststellt, dass etwas Bestimmtes
nicht der Fall ist.
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2.2 Kennzeichnung von funktionalen Textbausteinen
Eine Gruppe von redekennzeichnenden Ausdrücken, die in der Linguistik
eine wichtige Rolle spielen, haben wir im Zusammenhang unserer
Darstellung von funktionalen
Textbausteinen behandelt: Definieren (Definition) Argumentieren
(Argument), Beschreiben (Beschreibung), Bewerten (Bewertung). Wie
wir in unserer Darstellung des funktionalen Textbausteins Beschreibung festgestellt haben,
ist das Beschreiben ein grundlegender Teil der wissenschaftlichen
Praxis der Sprachwissenschaft. Dementsprechend werden auch die
redekennzeichnenden Ausdrücke beschreiben und Beschreibung häufig
verwendet. Wie wir in dieser Darstellung ebenfalls gezeigt haben, ist
es wichtig, das Beschreiben von anderen Handlungsformen zu
unterscheiden, z.B. dem Empfehlen, dem Erklären oder dem Analysieren.
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2.3 Kennzeichnung von Aspekten einer Argumentation
Typische Ausdrücke zur Kennzeichnung von Aspekten einer Argumentation
sind:
- einen Einwand machen,
- sich gegen eine Auffassung wenden,
- ein Argument vorbringen,
- ein Argument entkräften,
- eine These stützen,
- eine Behauptung beweisen,
- eine Annahme begründen,
- eine Voraussetzung machen,
- einen Begriff klären,
- auf einen Widerspruch aufmerksam machen.
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2.4 Kennzeichnung von Aspekten des Textaufbaus (z.B. der
Themengestaltung)
Aspekte des Textaufbaus kann man u.a. mit folgenden Ausdrücken kennzeichnen:
- einleitend ein Problem darstellen,
- einen Sachverhalt darstellen,
- ein Problem/ eine Fragestellung/ einen Gegenstand behandeln/ aufgreifen,
- ein Thema einführen/ behandeln/ abhandeln,
- sich mit einem Thema beschäftigen,
- sich einem Thema widmen,
- einen Überblick geben,
- abschließend Ergebnisse formulieren/ zusammenfassen.
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Aufgabe 1 - Zur Musterlösung
Geben Sie an, in wiefern die folgende Redekennzeichnung schlecht ist
(1) |
Die Bedeutung eines Wortes besteht in seiner Gebrauchsweise. Dies wird
von Wittgenstein beschrieben, indem er den Paragraphen 43 der
"Philosophischen Untersuchungen" zitiert.
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Aufgabe 2 - Zur Musterlösung
Geben Sie an, in wiefern die folgende Redekennzeichnung schlecht ist
Beschreiben Sie den Aufbau des folgenden Textstücks, indem Sie
redekennzeichnende Ausdrücke verwenden.
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(a) Satzglieder sind diejenigen Konstituenten, die direkt von Verb
(Prädikat) abhängig sind, oder das Verb (Prädikat)
modifizieren. Satzglieder sind selbst keine Kategorien, so wie
'Subjekt von etwas sein' keine Kategorie, sondern eine Funktion eines
Elements einer bestimmten Kategorie ist. [...]
(b) Den Unterschied zwischen Kategorie und Funktion illustrieren
folgende Beispiele für Satzglieder im Deutschen:
(1) |
a. Das Kind hat die Tiger gesehen
das Kind (NP) = Subjekt, die Tiger (NP) = Objekt
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(2) |
b. Das Kind haben die Tiger gesehen
das Kind (NP) = Objekt, die Tiger (NP) = Subjekt
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(vgl. Wöllstein-Leisten, A./ Heilmann, A./ Stepan, P./ Vikner,
St. (1997): Deutsche Satzstruktur. Grundlagen der syntaktischen
Analyse. Tübingen, 35.)
Aufgabe 3 - Zur Musterlösung
In einem Forschungsbericht zum Zweitspracherwerb berichtet der
Verfasser mit (3) von einer empirischen Untersuchung eines Autors
Maier. 1. Geben Sie mit redekennzeichnenden Ausdrücken die
sprachlichen Handlungen des Verfassers von (3a/b) wieder. 2. Notieren
Sie die redekennzeichnenden Ausdrücke, mit denen der Verfasser die
Handlungen von Maier kennzeichnet.
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(3) |
(a) Maier vertritt die Auffassung, dass der Nutzen von Korrekturen im
Zweitspracherwerb weit überschätzt wird, und begründet dies mit dem
empirischen Befund in seinem Datenmaterial, das häufige Wiederholungen
des ursprünglichen Fehlers nach Korrekturhandlungen der Lehrpersonen
zeigt. (b) Diese Begründung erscheint aber nicht sehr stark, da in
Maiers Material die verschiedenen Formen der Korrektur nicht in
ausreichender Vielfalt repräsentiert sind.
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