Schreibkompetenz: Zusammenfassungen
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Institut für Germanistik
Gerd Fritz
 

Problemtypen 5 - Formulieren in schriftlichen Texten

1. Gesprochene und geschriebene Sprache
2. Probleme beim Formulieren schriftlicher Texte
3. Vorsicht: Merkmale der gesprochenen Sprache
3.1 Verwendung von Füllwörtern (Partikeln)
3.2 Andere umgangssprachliche Ausdrücke und Wendungen
4. Unsicherheiten im schriftsprachlichen Gebrauch
4.1 Falsche Wortverbindungen (Kollokationen)
4.2 Falsche Wahl der Präposition
4.3 Gestelzte Wendungen
5. Schriftsprachliche Komplexität und Komprimierung - Vorteile und Nachteile
5.1 Substantivierungen
5.2 Substantivische Attribute
5.3 Linkserweiterungen (Partizipialattribute)
5.4 Zusammengesetzte Sätze
6. Formulierungshilfen
7. Übungen
8. Literatur

1. Gesprochene und geschriebene Sprache

Texte werden in gesprochener und geschriebener Sprache formuliert. Das Formulieren mündlicher Texte und das Formulieren schriftlicher Texte sind zwei verschiedene Fertigkeiten. Man kann einen Text nicht so aufschreiben, wie man ihn in einem Gespräch formulieren würde und umgekehrt, da es bedeutende Unterschiede in der Kommunikationssituation zwischen schriftlichen und mündlichen Texten gibt.

In folgender Tabelle geben wir einen kurzen Überblick über einige Unterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache:

Gesprochene Sprache Geschriebene Sprache
direktes Gegenüber: Der Gesprächspartner ist physisch anwesend zeitliche und räumliche Trennung der Kommunikationspartner: Autor- Text- Leser
gemeinsamer Bezugsrahmen: Gesprächspartner wissen um Thema und Kontext ihres Gesprächs Bezugsrahmen muss im Text erst aufgebaut werden
Flüchtigkeit Dauerhaftigkeit: Kann nachgelesen werden
Einsatz von Gestik, Mimik möglich und üblich kein Einsatz von Gestik, Mimik möglich
Verständnissicherung durch Rückfragen möglich keine Verständnissicherung durch Rückfragen möglich
Füllwörter keine Füllwörter
viele Wiederholungen keine/wenige Wiederholungen
größere Ausführlichkeit größere Knappheit und Genauigkeit
unvollständige Sätze vollständige Sätze

Diese Besonderheiten von mündlicher und schriftlicher Sprachverwendung zeigen sich in unterschiedlichen Bereichen, z.B.

  • in den Formen der Referenz, die in der geschriebenen Sprache expliziter sein muss,
  • im geplanten Wissensaufbau bei schriftlichen Texten,
  • in der Möglichkeit der Verwendung komplexer und komprimierter syntaktischer Muster in der geschriebenen Sprache.

Daneben gibt es auch konventionelle Zuordnungen bestimmter sprachlicher Formen zur gesprochenen und geschriebenen Sprache, die beim Schreiben wissenschaftlicher Texte berücksichtigt werden müssen.

Im Folgenden behandeln wir eine Reihe von typischen Schwierigkeiten, die Studienanfänger mit schriftlichen Formulierungen in wissenschaftlichen Texten haben.

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2. Probleme beim Formulieren schriftlicher Texte

Beim Formulieren in geschriebener Sprache kommt es häufig zu Problemen, die u.a. damit zusammenhängen, dass man Elemente der gesprochenen Sprache in schriftliche Texte übernimmt. Für die wichtigsten Problemtypen finden Sie in diesem Abschnitt Beispiele, Analysen und Tipps. Zur Illustration geben wir hier zunächst einmal einige Beispiele von umgangssprachlichen Formulierungen, die man in wissenschaftlichen Texten normalerweise nicht verwenden würde.

(1)  Diese Theorie, welche Rudi Keller nicht vertritt, weil sie ihm einfach zu pauschal ist, gilt es nun in des Autors Text zu widerlegen.
(2)  Er kommt zu dem Schluss, dass es zwar schön und gut ist, dem Mitgeteilten eine Vorstellung zuordnen zu können, dass dies jedoch das für Kommunikation Entscheidende sei.
(3)  Frei nach diesem Motto setzt sich Keller mit einem Zitat Wittgensteins auseinander.
(4)  Der Autor denkt, dass Wittgenstein den Satz dann anders formuliert hätte [...]. Der Autor meint des weiteren, dass Wittgenstein glaubt, dass ...
(5)  Des Weiteren könne die Bedeutung eines Wortes nicht situations- und intentionsabhängig sein, da diese nun mal sein Gebrauch in der Sprache ist.
(6)  Er versucht dies noch mal zu verdeutlichen, indem ...
(7)  Trotz dieser ganzen Feststellungen ...

Die kursiv hervorgehobenen sprachlichen Einheiten sind uns als Wendungen aus der gesprochenen Sprache bekannt, die in einem schriftlichen Text übernommen worden sind. Für den Gebrauch in schriftlichen Texten scheinen sie jedoch ungeeignet.
Schriftliche Texte sind haltbarer und meistens für mehrere Adressaten gedacht, deswegen sollte man sie sorgfältiger formulieren, als das im mündlichen Sprachgebrauch üblich und nötig ist.

TIPP Prüfen Sie beim Durchlesen Ihres fertigen Texts, ob Sie unkontrolliert Formulierungen aus der gesprochenen Sprache in Ihren wissenschaftlichen Text übernommen haben.

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3. Vorsicht: Merkmale der gesprochenen Sprache

Einige typische Merkmale der gesprochenen Sprache, die manchmal ungewollt in schriftliche Texte übernommen werden, behandeln wir in den folgenden Abschnitten.

3.1 Verwendung von Füllwörtern (Partikeln)

Füllwörter kommen häufig in der gesprochenen Sprache vor. Dort erfüllen sie verschiedene Aufgaben. Sie machen ein Gespräch lebendig und zeigen dem Partner, dass man auf ihn und seine Argumente eingehen will; sie können beispielsweise der Hervorhebung oder der Satzverknüpfung dienen oder die Einstellung des Sprechers ausdrücken.

Textbeispiel für Partikeln in gesprochener Sprache

A: Also ich glaube, die Sprache ist nicht- äh- wie für den Bildhauer vielleicht ein stück Gips oder so, das sie an die Wand werfen können. Die Sprache is eher ne Formelsprache. So muss man sich auch gewissen Gesetzen meiner Meinung nach fügen und kann nich sozusagen die Sprache willkürlich verändern nach eigenen Vorstellungen, nach eigenen Gefühlen.
C: Dem möchte ich entgegnen, äh- Sprache is doch immer ein Ausdruck der Kultur und des Volkes in einer bestimmten Zeit. Und deshalb kann sich die Sprache doch aber auch wandeln.
A: Also- äh-
C: Und wenn wir eben nun in ein neues Stadium einer andern Kultur eintreten, dann -äh- muss die Sprache nun auch das mitmachen. ...
(Heringer 1989, 162)

In der geschriebenen Sprache werden bestimmte Partikeln seltener verwendet.. Das gilt beispielsweise für manche Abtönungspartikeln (Modalpartikeln) und Gradpartikeln. Zusammenhänge im Text werden oft mit anderen sprachlichen Mitteln verdeutlicht.

Abtönungspartikeln

Häufig gebrauchte Abtönungspartikeln sind aber, auch, bloß, denn, eben, eigentlich, etwa, halt, ja, nämlich, vielleicht, wohl etc. Sie werden vor allem in Gesprächen verwendet. Mit ihrer Hilfe verleiht der Sprecher seiner Aussage eine bestimmte subjektive Tönung, beispielsweise signalisiert er Zustimmung, Ablehnung, Interesse, Einschränkung, einen Begründungszusammenhang etc.Im Folgenden geben wir einige Beispiele für die unangemessene Verwendung von Abtönungspartikeln in wissenschaftlichen Texten:

(1)  Keller findet die wahrheitsfunktionale Semantik eigentlich ganz gut. Aber ...

Im Textbeispiel (1) wird das Füllwort eigentlich benutzt, um eine Einschränkung zu signalisieren. Der Leser erwartet im Folgetext eine Konkretisierung der Einschränkung, bzw. die Angabe von Bedingungen, unter denen die Aussage nicht zutreffend ist. Die Formulierung mit eigentlich erscheint uns in einem geschriebenen Text unpassend, da uns der Ausdruck vor allem aus der Alltagssprache vertraut ist. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die Verwendung der Formulierung etwas gut finden, die ebenfalls in der Alltagssprache gebräuchlich ist, in einem wissenschaftlichen Text aber nicht verwendet wird.

TIPP Die Einschränkung sowie die Abtönung einer Aussage sollte in wissenschaftlichen Texten normalerweise nicht mit Hilfe von Abtönungspartikeln gekennzeichnet werden, sondern mit anderen sprachlichen Mitteln signalisiert werden, z. B. einer Konjunktion.
Optimierungsvorschlag:
(2)  Keller hält die wahrheitsfunktionale Semantik zwar in einigen Punkten für brauchbar, aber in anderen vertritt er abweichende Auffassungen.

Ähnlich verhält es sich beim nächsten Beispiel:

(3)  Keller lehnt die Vorstellungstheorie ab. Er hält sie nämlich für unplausibel.
(4)  Keller lehnt die Vorstellungstheorie ab, da er sie für unplausibel hält.
Dagegen könnte man im Beispiel (5) die Partikel nun mal einfach weglassen:
(5)  Die Bedeutung eines Wortes kann nicht situations- und intentionsabhängig sein, da sie nun mal der regelhafte Gebrauch in der Sprache ist.
(6)  Die Bedeutung eines Wortes kann nicht situations- und intentionsabhängig sein, da sie der regelhafte Gebrauch in der Sprache ist.

Gradpartikeln

Häufig gebrauchte Gradpartikeln sind nur, bloß, allein, lediglich, ausschließlich, selbst, ziemlich, sehr etc. Sie signalisieren u.a. den Bezug zu infrage kommenden Alternativmöglichkeiten. Auch unter den Gradpartikeln gibt es solche, die vor allem in gesprochener Sprache verwendet werden und deshalb für wissenschaftliche Texte im Allgemeinen nicht geeignet sind, beispielsweise bloß und ziemlich. Hier wird man normalerweise Alternativen wählen - (8) statt (7) oder (10) statt (9) - oder sich überlegen, ob sie nicht weggelassen werden können, also (11) statt (9):

(7)  Doch nach Kellers Ansicht beruht dieser Kritikpunkt bloß auf einem Missverständnis.
(8)  Doch nach Kellers Ansicht beruht dieser Kritikpunkt nur auf einem Missverständnis.
(9)  Die Einwände gegen die Vorstellungstheorie sind nach Kellers Ansicht ziemlich stark.
(10)  Die Einwände gegen die Vorstellungstheorie sind nach Kellers Ansicht recht stark.
(11)  Die Einwände gegen die Vorstellungstheorie sind nach Kellers Ansicht stark.

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3.2 Andere umgangssprachliche Ausdrücke und Wendungen

Auch viele andere sprachliche Ausdrücke sind vor allem in der gesprochenen Umgangssprache gebräuchlich und gelten deshalb in der wissenschaftlichen Sprache als zu informell. Auch hier muss man nicht dogmatisch sein, und manche wissenschaftlichen Autoren halten sich nicht an diese Prinzipien. Für den Anfänger ist es aber gut, zu wissen, was als informell und nicht schriftsprachlich gilt.

Beispiele sind zunächst einige Ausdrücke, mit denen man informell etwas als eine Auffassung eines Autors kennzeichnet:

(1)  Der Autor meint, dass die Vorstellungstheorie nicht plausibel ist
(2)  Wittgenstein denkt, dass Vorstellungen keine grundlegende Rolle für die Bedeutung eines Wortes spielen
(3)  Der Autor findet die Vorstellungstheorie gut

Weitere Beispiele sind Floskeln aus der gesprochenen Sprache

(4)  Er kommt zu dem Schluss, dass es zwar schön und gut ist, dem Mitgeteilten eine Vorstellung zuordnen zu können, aber ...
(5)  Frei nach diesem Motto setzt sich Keller mit einem Zitat Wittgensteins auseinander.

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4. Unsicherheiten im schriftsprachlichen Gebrauch

In diesem Abschnitt geben wir einige Beispiele für grammatische und semantische Unsicherheiten im schriftsprachlichen Gebrauch.

4.1 Falsche Wortverbindungen (Kollokationen)

Unter einer Kollokation versteht man ein Zusammen-Vorkommen von sprachlichen Ausdrücken wie z.B. blond und Haar. Für viele Ausdrücke gibt es typische oder häufige Kollokationen, z.B. der Verfasser und stellt dar in wissenschaftlichen Texten. Ein typischer Fehler in wissenschaftlichen Texten von Anfängern sind falsche oder ungebräuchliche Kollokationen. Hier einige Beispiele:

(1)  Der letzte Aspekt setzt sich mit der linguistischen Analyse zweier Interaktionsphänomene auseinander
(2)  Die Vorstellungstheorie beschreibt, dass die Bedeutung eines Wortes in der damit verbundenen Vorstellung besteht.
(3)  Der dritte Hauptgedanke sagt, dass die Vorstellung nicht die Rolle in der Kommunikation spielen, die die Vorstellungstheorie ihnen zuweist.
(4)  Der vierte Hauptgedanke behauptet nun, dass ...

Hier werden jeweils Verben auf Gegenstände angewendet, zu denen sie nicht passen: Aspekte setzen sich nicht auseinander, eine Theorie beschreibt nicht (und schon gar nicht: beschreibt, dass), ein Hauptgedanke sagt nichts und behauptet auch nichts.

Auch feste Verbindungen wie einen Schluss ziehen, in Erwägung ziehen, zum Ausdruck bringen oder einen Bezug herstellen sind enge Kollokationen. Auch hier können falsche Kombinationen unterlaufen wie im folgenden Beispiel:

(5)  Hier wird der Bezug zu Wittgensteins Gebrauchstheorie gestellt.

Im folgenden Beispiel ist die Verbindung ein Fazit folgern abweichend. Sie ist eine unzulässige Kombination von zwei Ausdrücken, nämlich folgern, dass und ein Fazit ziehen.

(6)  Aus der Summe der Vorteile, die Keller diesem Bedeutungsbegriff beimisst, folgert er das Fazit...

Für (6) gibt es zwei Verbesserungsmöglichkeiten:

(7)  Aus der Summe der Vorteile, die Keller diesem Bedeutungsbegriff beimisst, folgert er...
(8)  Aus der Summe der Vorteile, die Keller diesem Bedeutungsbegriff beimisst, zieht er das Fazit...

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4.2 Falsche Wahl der Präposition

Feste Verbindungen bestehen auch zwischen vielen Verben und Präpositionen, wie z.B. sich entschließen zu (und nicht für) oder bewahren vor (und nicht von). Eine typische Verwechslung zeigt folgendes Beispiel:

(9)  Die Bedeutungshaftigkeit eines sprachlichen Zeichens beruht alleine im regelhaften Gebrauch desselben.

Die in (9) verwendete Formulierung beruhen in ist falsch. Richtig wäre entweder beruhen auf oder bestehen in. Eine korrekte Version dieser Formulierung ist (10):

(10)  Die Bedeutungshaftigkeit eines sprachlichen Zeichens beruht alleine auf dem regelhaften Gebrauch desselben.
TIPP Achten Sie beim Korrekturlesen Ihrer Arbeiten auf korrekte Wortverbindungen, insbesondere die korrekte Verwendung von Verben, die einen bestimmten präpositionalen Anschluss fordern. Wenn Sie unsicher sind, schlagen Sie die Formulierung nach oder suchen Sie nach einer alternativen Formulierung. Bei der Suche nach alternativen Formulierungsmöglichkeiten, kann ein Blick in die Tabelle Formulierungshilfen in Abschnitt 6. hilfreich sein.

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4.3 Gestelzte Wendungen

Bei dem Versuch, mündliche Formulierungen zu vermeiden und typisch schriftlich zu formulieren, kann man auch zu viel des Guten tun und gestelzte Formulierungen verwenden, die z.T. charakteristisch sind für das Papierdeutsch der Verwaltungssprache. Auch solche Formulierungen werden in wissenschaftlichen Texten normalerweise vermieden. Einige Beispiele aus studentischen Texten zeigen diesen Fehlertyp:

(1)  Wittgenstein selbst nimmt Abstand von dieser Auffassung
(2)  Eine solche Theorie ist mit verschiedenen Problemen behaftet
(3)  Die Unterteilung findet in fünf Hauptgedanken statt
(4)  Trotz seiner Anerkennung ob der angemessenen Darstellung der engen Beziehung zwischen dem Begriff der Bedeutung und dem Begriff der Absicht
(5)  Laut des Paragraphen 43 der "Philosophischen Untersuchungen" könnte man meinen ...
(6)  Er widerlegt mit seinen Fragen die Gültigkeit der Vorstellungstheorie im allgemein gültigen Raum
(7)  Um diesem Aspekt auf den Grund zu gehen ...
(8)  Hierbei wirft er den Bedeutungsbegriff ein
(9)  Keller macht zahlreiche Einwände, unter denen das Gebäude der Vorstellungstheorie einstürzt
(10)  Schon vorher formuliert Keller in eloquenter Art und Weise ...

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5. Schriftsprachliche Komplexität und Komprimierung - Vorteile und Nachteile

Die schriftliche Kommunikationssituation erlaubt es, grammatische Möglichkeiten der Komplexität und der Komprimierung zu nutzen, die in der gesprochenen Sprache normalerweise nicht genutzt werden. In wissenschaftlichen Texten sind sie sehr gebräuchlich. Besonders wichtig sind solche Formen im Bereich des Substantivs. Typische Beispiele sind Nominalisierungen (Substantivierungen) mit Attributen (1) oder Partizipialattribute wie (2):

(1)  Der Versuch der Darstellung von syntaktischen Strukturen mit den Mitteln der Dependenzgrammatik
(2)  Die im Rahmen der Vorstellungstheorie häufig unreflektiert angenommene Repräsentationsbeziehung
TIPP Vorteile der grammatischen Mittel der Komplexität und Komprimierung sind: Man kann Sachverhalte kurz und in gedrängter Form ausdrücken und einen hohen Grad von Differenziertheit der Bezugnahme erreichen.
Ihr Nachteil ist: Wenn man übertreibt, leidet sehr schnell die Verständlichkeit unserer Texte. Also: Komplexität und Komprimierung genau dosieren!

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5.1 Substantivierungen (Nominalisierungen)

"Die Nominalisierung ist die Realisierung des Ideals der Kürze, das die wissenschaftliche Sprache bestimmt. Aber realisiert sie auch immer das Ideal der Präzision und der Vollständigkeit?" (Heringer 1988, 302)

In der Wissenschaftssprache sind Bezeichnungen von wissenschaftlichen Aktivitäten häufig (vgl. redekennzeichnende Ausdrücke), beispielsweise Darstellung, Versuch, Analyse, Einführung, Anwendung, Behandlung, Betrachtung, aber auch Bezeichnungen für Zusammenhänge zwischen Sachverhalten wie Einfluss, Wirkung, Entwicklung, Übereinstimmung.

Ein typisches Problem der Verwendung solcher Ausdrücke sieht man an folgendem Beispiel

(3)  Die Schaffung einer krisenfesten Ausbildung ist eine Aufgabe der Zukunft.

In (3) bleibt offen, wer etwas schaffen soll und wer wozu ausgebildet werden soll.
Wenn der Leser das vorher schon weiß, ergibt sich kein Verstehensproblem. Weiß er es jedoch nicht, muss man als Autor möglicherweise etwas tun, um diese Wissenslücke zu schließen. Tut man es nicht, weiß der Leser nur teilweise, worum es hier geht.

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5.2 Substantivische Attribute

Gerade bei Nominalisierungen bietet es sich an, zum Zweck der Genauigkeit und Explizitheit mehrere Attribute zu verwenden:

(1)  Die Diskussion der Grundlagen der Bedeutungstheorie in der neueren Sprachphilosophie

Der Kern der Konstruktion ist Diskussion, davon sind ein Genitivattribut (der Grundlagen) und ein Präpositionalattribut (in der neueren Sprachphilosophie) abhängig. Von dem Genitivattribut ist noch einmal ein Genitivattribut abhängig (der Bedeutungstheorie). Mit dieser komplexen Struktur kann man sehr genau angeben, von welcher Diskussion man spricht, ohne dass der Nominalausdruck insgesamt unverständlich ist. Aber schon hier kann der Leser beispielsweise die Frage stellen, ob in der neueren Sprachtheorie zu Bedeutungstheorie gehört oder zu Diskussion. Wir sehen also eine Mehrdeutigkeit der Attributstruktur, die dem Leser vielleicht Probleme bereiten könnte. Diese Möglichkeit müssen wir beim Schreiben im Auge behalten.

Erweitern wir jetzt die Attributstruktur von (1) zu (2), dann kommen wir schnell an die Grenzen der Verständlichkeit. Als Autor muss man hier genau kalkulieren, wo die Grenzen liegen.

(2)  Die Diskussion der Grundlagen der Bedeutungstheorie von Wittgensteins Schülern in der angelsächsischen sprachanalytischen Philosophie der ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg

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5.3 Partizipialattribute

Partizialattribute bieten die Möglichkeit, innerhalb eines Nominalausdrucks einen zusätzlichen Sachverhalt auszudrücken. Dies ist eine hervorragende Möglichkeit der Komprimierung und Kürze, die in der Wissenschaft viel genutzt wird:

(1)  Die von Keller in seinem Kapitel über Wittgensteins instrumentalistische Bedeutungstheorie geführte Auseinandersetzung mit der Vorstellungstheorie dient als Vorbereitung der Einführung in die Grundlagen der Gebrauchstheorie.

Kern des ersten Nominalausdrucks ist Auseinandersetzung. Vor dem Kern ist eine satzartige Struktur eingebaut, deren Kern das Partizip geführte ist. Mit dieser Struktur kann in komprimierter Form der Sachverhalt (2) ausgedrückt werden:

(2)  dass Keller in seinem Kapitel über Wittgensteins instrumentalistische Bedeutungstheorie eine Auseinandersetzung führt

Diese schöne Möglichkeit der Grammatik des Deutschen muss man aber ebenfalls fein dosiert nutzen. Da man bei diesen nach Links orientierten Konstruktionen oft erst sehr spät erfährt, wovon die Rede ist (in diesem Fall von einer Auseinandersetzung), werden sie leicht unverständlich, wenn ein bestimmter Grad der Komplexität überschritten ist. Also auch hier: Komplexität und Komprimierung genau dosieren!

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5.4 Zusammengesetzte Sätze

Auch zusammengesetzte Sätze sind ein grammatische Mittel zum Ausdruck komplexer Zusammenhänge, das in wissenschaftlichen Texten häufig verwendet wird. Insbesondere die Einbettung von Satz in Satz, d.h. die Unterordnung von Nebensätzen, spielt eine wichtige Rolle. In folgendem Beispiel sind die jeweils eingebetteten Sätze mit Buchstaben gekennzeichnet.

(1)  Peirce schließt, (a) dass mit der Institutionalisierung des Forschungsprozesses der Weg ein für allemal definiert ist, (b) auf dem wir zu Auffassungen gelangen müssen, (c) die wir nur darum Erkenntnisse nennen, (d) weil sie zwanglos und dauerhaft intersubjektive Anerkennung finden.
(J. Habermas, Erkenntnis und Interesse (1968), 117)

Das Besondere an diesem Beispiel ist die tiefe Stufung: Der Ergänzungssatz (a) bildet die erste Einbettungsstufe. In ihn ist wiederum der Relativsatz (b) eingefügt, in diesen ein weiterer Relativsatz (c) und in diesen nochmals ein Kausalsatz (d).

PROBLEM Bei der Verwendung von zusammengesetzten Sätzen mit tiefer Stufung ist folgendes Problem zu beachten:
Wenn die Stufung tief ist und dazuhin noch andere Formen der Komplexität benutzt werden, verliert der Leser leicht die Übersicht.

Ein Beispiel für dieses Problem ist Satz (1):

(1)  Er sagt, der Bedeutungsbegriff soll der Erklärung dessen dienen, wie es dem Sprecher möglich ist, dem Adressaten zu erkennen zu geben, was er meint

Dieser Satz aus einer Zusammenfassung ist die nicht zitierte Wiedergabe eines Satzes aus Keller (1995, 61). Bei Keller steht der Satz in einem Zusammenhang, der ihn leichter verständlich macht. Wenn er aus diesem Zusammenhang herausgenommen wird, ist er für den Leser schwer verständlich. Verschärft wird das Problem des Lesers, wenn keine Zeichensetzung als Lesehilfe verfügbar ist, wie in folgendem Beispiel:

(2)  ... denn es ist seiner Meinung nach nicht notwendig für die Frage was der Sprecher meint mit dem was er sagt und was der Hörer demnach versteht
TIPP
  1. Achten Sie beim Durchlesen ihrer Texte darauf, ob die zusammengesetzten Sätze richtig konstruiert sind und mit korrekter Zeichensetzung versehen sind.
  2. Versetzen Sie sich beim Durchlesen in die Lage des Lesers und fragen Sie sich, ob Ihre zusammengesetzten Sätze verständlich sind.
  3. Im Zweifelsfall formulieren Sie die Sätze um.

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6. Formulierungshilfen

Beim Schreiben von Zusammenfassungen wissenschaftlicher Texte verwendet man häufig bestimmte Formulierungen. Als Formulierungshilfe führen wir hier eine kleine Liste solcher Formulierungen an. Weitere typische Formulierungen finden Sie im Abschnitt "Problemtypen 6 - redekennzeichnende Ausdrücke".

Funktion Formulierungsvorschläge
Einleitende Formulierungen Der Artikel behandelt...
Der Autor stellt ... dar
Untersucht wurde zunächst...
Grundlage dieser ... sind...
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit/ thematisiert/ behandelt ...
... soll die Frage geklärt werden, ...ob/ inwieweit...
Die Fragestellung war...
Im vorliegenden Artikel geht es um...
Formulierungen, die die Position des Autors/Verfassers kennzeichnen Nach Meinung des Autors...
Der Autor vertritt die Position...
Der Autor betont...
...,so der Autor,...
...beschränken sich die Verfasser auf...
Im Mittelpunkt seines/ihres Interesses steht...
Der Autor bezieht sich auf...
Daraus folgert der Autor...
Der Autor steht ... positiv/ negativ gegenüber
Passive Formulierungen im laufenden Text ...werden angeführt
...wird angemerkt
...wird angesprochen
...werden aufgelistet
...wird im Folgenden weiter ausgeführt
wurden....beachtet
wird...problematisiert
Mit Bedacht wird dabei...
...sind benannt
Abschließende Formulierungen In einem abschließenden Abschnitt...
Den Abschluss bildet...
...beschließen den Artikel
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass...
Festzuhalten bleibt...
Die Autoren ziehen das Fazit...
Fazit ist...
Der Autor kommt zu dem Schluss, dass...

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7. Übungen

Aufgabe 1

Aufgabe 1 - Zur Musterlösung
Die folgenden Sätze enthalten umgangssprachliche Formulierungen, die in wissenschaftlichen Texten nicht enthalten sein sollten. Erarbeiten Sie Optimierungsvorschläge mit alternativen Formulierungen für diese Sätze.
(1)  Diese Theorie, welche Rudi Keller nicht vertritt, weil sie ihm einfach zu pauschal ist, gilt es nun in des Autors Text zu widerlegen.
(2)  Er kommt zu dem Schluss, dass es zwar schön und gut ist, dem Mitgeteilten eine Vorstellung zuordnen zu können, dass dies jedoch nicht das für Kommunikation Entscheidende sei.
(3)  Frei nach diesem Motto setzt sich Keller mit einem Zitat Wittgensteins auseinander.

Aufgabe 2

Aufgabe 2 - Zur Musterlösung
Vervollständigen Sie die Textpassagen zu festen Wendungen. Manchmal gibt es mehrere richtige Lösungen.
(1)  Der Autor _____________ zu dem Schluss, dass...
(2)  Er ____________dabei in den Vordergrund, dass...
(3)  Der Autor _____________ folgendes Fazit: ...
(4)  ....beschränken sich die Verfasser __________.......
(5)  Diese These _____________ nicht die Zustimmung des Autors.
(6)  Dieser Theorie steht Keller jedoch eher negativ _________.
(7)  In diesem Abschnitt soll die __________ geklärt werden, ob...
(8)  Die Autoren __________ sich dem Problem X zu.
(9)  Im _____________ ihres Interesses stehen.

Aufgabe 3

Aufgabe 3 - Zur Musterlösung
Korrigieren Sie die folgenden Sätze.
(1)  ...auch dies führt in einen iterativen Prozess.
(2)  Der Autor schließt sich mit der Betrachtungsweise Wittgensteins ... an.
(3)  Hier spricht Keller auf die undeutliche Formulierung Wittgensteins an und auf die daraus resultierenden unterschiedlichen Interpretationen.
(4)  Daraus schließt Keller in seinem Fazit dazu, dass Vorstellungen für die Kommunikation keine so große Rolle spielen als in der Vorstellungstheorie angenommen.

Aufgabe 4

Aufgabe 4 - Zur Musterlösung
Kennzeichnen Sie in folgenden Sätzen jeweils die schlechten oder sonderbaren Formulierungen.
(1)  Keller entwickelt seine Theorie mit Kritik an der Vorstellungstheorie.
(2)  Diese Aussage wird durch mehrere Beispiele eindrücklich dargestellt.
(3)  ... ,dass Keller keine vollkommene Zustimmung an Wittgensteins Arbeit empfand.
(4)  In seiner Hauptthese erwähnt Keller die Vorstellungstheorie.
(5)  ... nach der das Verstehen eines Wortes in jedem Fall zurückzuführen sein, auf das Haben der entsprechenden Vorstellung.
(6)  Er warnt davor, das Verhältnis so zu sehen, dass das Wort für die Regel seines Gebrauchs steht, sondern dass statt dessen ein regelhafter Gebrauch einem Wort Bedeutung verleiht.
(7)  Mit seinen sieben Punkten, die er durchspricht, stellt er fest, dass die Vorstellungen, die wir beim Kommunizieren haben, auf keinen Fall die Bedeutung haben, die ihnen die Vorstellungstheorie beimessen will.
(8)  Keller beschreibt als Widerlegung zu Wittgensteins Paragraphen die Bedeutungshaftigkeit in vier verschiedenen Phasen.

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8. Literatur

Heringer, Hans Jürgen (1988): Lesen lehren lernen. Eine rezeptive Grammatik des Deutschen. Tübingen.

Heringer, Hans Jürgen (1989): Grammatik und Stil. Praktische Grammatik des Deutschen.

Schwitalla, Johannes (1997): Gesprochenes Deutsch. Eine Einführung. Berlin. (Kap. 3: "Einige grundsätzliche Unterschiede zwischen gesprochener und geschriebener Sprache".)

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