Schreibkompetenz: Zusammenfassungen
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Institut für Germanistik
Gerd Fritz
 

Problemtypen 4 - Koreferenz

1. Was ist Koreferenz?
2. Die wichtigsten sprachlichen Mittel der Koreferenz
3. Probleme bei der Koreferenz
3.1 Probleme mit anaphorischen Pronomina
3.2 Wissensprobleme bei der Koreferenz mit Kennzeichnungen
4. Übung zur Koreferenz
5. Literatur

1. Was ist Koreferenz?

Wir sprechen von Koreferenz, wenn ein Sprecher mit einem Ausdruck auf einen Gegenstand Bezug nimmt, den er zuvor eingeführt hat, oder wenn ein Sprecher mit einem Ausdruck auf einen Gegenstand wieder Bezug nimmt, auf den er zuvor schon Bezug genommen hat.
D.h. Koreferenz dient dazu, über denselben Gegenstand weiterreden zu können.

Beispiele

(1)  (a) Wir behandeln zunächst ein grundlegendes Kommunikationsprinzip. (Einführung) (b) Dieses Prinzip nennen wir das Rationalitätsprinzip. (Wiederaufnahme)
(2)  (a) Das Rationalitätsprinzip wird von vielen Autoren als grundlegend angenommen. (Bezug) Von diesem Prinzip lassen sich viele andere Prinzipien ableiten. (Wiederaufnahme des Bezugs)

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2. Die wichtigsten sprachlichen Mittel der Koreferenz

Die wichtigsten sprachliche Mittel für die Wiederaufnahme des Bezugs auf einen Gegenstand (die Koreferenz) sind:

  1. die Verwendung einer sog. definiten Kennzeichnung, d.h. einer Nominalphrase mit einem bestimmten (definiten) Artikel (das Prinzip)
  2. die Verwendung einer definiten Kennzeichnung mit einem sog. deiktischen Ausdruck (dieses Prinzip)
  3. die Verwendung eines sog. anaphorischen Pronomens (es)
  4. die Verwendung eines Demonstrativpronomens allein (dieses, dies)

Beispiele

Die im Satz (b) jeweils kursiv ausgezeichneten Ausdrücke nehmen die Referenz aus Satz (a) wieder auf. Sie sind jeweils koreferent mit dem Ausdruck dem Rationalitätsprinzip im Satz (a).

(3)  (a) Wir beginnen mit dem Rationalitätsprinzip. (b) Das Prinzip lässt sich folgendermaßen formulieren: "..."
(4)  (a) Wir beginnen mit dem Rationalitätsprinzip. (b) Dieses Prinzip lässt sich folgendermaßen formulieren: "..."
(5)  (a) Wir beginnen mit dem Rationalitätsprinzip. (b) Es lässt sich folgendermaßen formulieren: "..."
(6)  (a) Wir beginnen mit dem Rationalitätsprinzip. (b) Dieses lässt sich folgendermaßen formulieren: "..."

Unter dem Gesichtspunkt der Kürze ist die Weiterführung der Bezugnahme mit einem anaphorischen Pronomen wie er, sie, es besonders günstig. Allerdings gibt es bei dieser Form der Koreferenz auch besondere Probleme, auf die wir in Abschnitt 3 eingehen.

Je nach Art des Gegenstandes gibt es auch noch weitere Formen der Wiederaufnahme, z.B.:

  • zur Wiederaufnahme eines eingeführten Ereignisses oder Sachverhalts kann man dies oder Pronominaladverbien wie damit oder dabei verwenden
    (7)  De Saussure betonte die Unterscheidung von Synchronie und Diachronie. Dies war ein wichtiger Schritt in der strukturellen Sprachwissenschaft.
    (8)  De Saussure betonte die Unterscheidung von Synchronie und Diachronie. Damit trug er entscheidend zur Entwicklung der strukturellen Sprachwissenschaft bei.
    (9)  De Saussure betonte die Unterscheidung von Synchronie und Diachronie. Dabei ging er allerdings einen Schritt zu weit und wertete die historische Untersuchung ab.
  • zur Wiederaufnahme einer Ortsreferenz kann man dort verwenden (Er fuhr nach Bukittingi. Dort fühlte er sich sehr wohl.)

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3. Probleme bei der Koreferenz

3.1 Probleme mit anaphorischen Pronomina

Die grundlegende Aufgabe bei der Koreferenz besteht darin, dass der Schreiber dem Leser ausreichend klar signalisieren muss, auf welchen im vorhergehenden Text erwähnten Gegenstand wieder Bezug genommen wird. Dies gilt besonders für die anaphorische Verwendung von Pronomina. In vielen Fällen macht das allerdings keine Schwierigkeiten, z.B. dann wenn

  • im vorhergehenden Satz nur ein Gegenstand erwähnt wird:
    (1)  Das Rationalitätsprinzip ist grundlegend. Von ihm lassen sich alle anderen Prinzipien ableiten.
  • im vorhergehenden Satz zwar mehrere Gegenstände erwähnt werden,aber nur einer das richtige Genus hat (z.B. Femininum):
    (2)  Hintikka betont die Bedeutung des Rationalitätsprinzips. Es liegt seiner Auffassung nach allen anderen Prinzipien zugrunde.
    In (2) kann mit es nur der Bezug auf das Rationalitätsprinzip wieder aufgenommen werden, nicht aber der Bezug auf den Philosophen Hintikka. Der Leser kann also eindeutig entscheiden, wo Koreferenz besteht.
PROBLEM Wenn im vorhergehenden Satz zwei oder mehr Gegenstände erwähnt werden, auf die sich ein anaphorisches Pronomen beziehen könnte, kann es für den Leser schwierig sein zu entscheiden, auf welchen Gegenstand sich das Pronomen bezieht.

Beispiele

Ein Beispiel ist die Satzfolge (3), wo in (3a) zwei Gegenstände erwähnt werden, auf die in (3b) wieder Bezug genommen werden könnte:

(3)  (a) Wir unterscheiden das Rationalitätsprinzip und das Relevanzprinzip. (a) Es ist das wichtigste von allen Prinzipien.

Hier ist die Koreferenz nicht eindeutig. Die Verwendung von es ist unbefriedigend. In solchen Fällen könnte man den Ausdruck das erstere verwenden oder den Bezugsausdruck aus dem ersten Satz wiederholen:

(4)  Wir unterscheiden das Rationalitätsprinzip und das Relevanzprinzip. Das erstere/ Das Rationalitätsprinzip ist das wichtigste von allen Prinzipien.

Manchmal erlaubt uns aber unser Wissen über die genannten Arten von Gegenständen die richtige Entscheidung:

(5)  Das Kind verletzte das Relevanzprinzip. Es redete völlig wirr daher.

Hier ist uns klar, dass es sich zwar auf beide Gegenstände beziehen könnte (das Kind und das Prinzip), aber wir wissen, dass nur Kinder reden, nicht Prinzipien.

TIPP Beim Gebrauch eines anaphorischen Pronomens muss man immer überprüfen, ob der Leser entscheiden kann, auf welchen Gegenstand im Vorbereich es sich bezieht.
Wenn Sie erkennen, dass der Leser Schwierigkeiten haben könnte (wegen Übereinstimmung im Genus und wegen fehlender Hinweise im Wissen über die Gegenstände), sollten Sie stattdessen eine Kennzeichnung verwenden (z.B. dieses Prinzip) und notfalls die Kennzeichnung aus dem vorhergehenden Satz wiederholen (z.B. das Rationalitätsprinzip).

Ähnliche Schwierigkeiten kann es bei der Wiederaufnahme eines eingeführten Ereignisses oder Sachverhalts mit dies, Pronominaladverbien (damit oder dabei) oder dem Adverb hier (auch hierzu, hierbei) geben.
PROBLEM Wenn auf einen Sachverhalt, der im vorhergehenden Satz eingeführt wurde, mit Ausdrücken wie dies, dabei oder hier Bezug genommen wird, wird häufig nicht klar, welcher Sachverhalt bzw. welcher Aspekt des Sachverhalts wieder aufgenommen wird.

Beispiele

In einer Rezension oder einer Hausarbeit lesen wir folgende Sätze:

(6)  (a) Maier insistiert darauf, dass viele Bedeutungstheoretiker der Auffassung sind, dass Stellvertretertheorien verfehlt sind. (b) Dies ist ein heikler Punkt in der gegenwärtigen bedeutungstheoretischen Diskussion.

Hier könnte sich dies auf drei verschiedene Sachverhalte beziehen, nämlich entweder auf (i), (ii) oder (iii):

  1. dass Maier darauf insistiert,
  2. dass viele Bedeutungstheoretiker der genannten Auffassung sind,
  3. dass Stellvertretertheorien verfehlt sind

Der Schreiber von (6) macht es seinem Leser schwer zu entscheiden, in welchem der drei Sachverhalte der Schreiber von (6) den heiklen Punkt in der bedeutungstheoretischen Diskussion sieht.

Ein ähnliches Problem hat der Leser mit der Verwendung von dabei in folgendem Beispiel aus einer Zusammenfassung:

(7)  Keller diskutiert schließlich einige Aspekte der Gebrauchsregel, um sie dem Leser nochmals zu verdeutlichen. Wichtig dabei ist, dass die Gebrauchsregel nicht im Kopf ist.

Dabei wird meistens verwendet, um sich auf eine im Vorgängersatz beschriebene Handlung zu beziehen.
In unserem Beispiel erhebt sich die Frage, auf welche Handlung sich dabei bezieht, auf das Diskutieren oder auf das Verdeutlichen. Man könnte den Bezug deutlicher machen, indem man einen anderen Bezugsausdruck wählt, z.B.:

(8)  Keller diskutiert schließlich einige Aspekte der Gebrauchsregel, um sie dem Leser nochmals zu verdeutlichen. Der wichtigste Aspekt ist nach Keller, dass die Gebrauchsregel nicht im Kopf ist.

Auch hier und seine Verbindungen (hierzu, hierbei) werden zur Wiederaufnahme verwendet. Bei der Verwendung dieser Ausdrücke ist unklarer oder falscher Rückbezug eine besondere Gefahr, wie folgendes Beispiel zeigt:

(9)  Wenn wir mit einer Sprache kommunizieren, geben wir Äußerungen von uns, mit denen wir beabsichtigen, dass der Angesprochene sie interpretiert und uns versteht. Ludwig Wittgenstein hat hierzu entscheidende Anstöße geliefert.

Was der Verfasser mit (9) wohl meint, ist, dass Wittgenstein Anstöße zu einer Theorie geliefert hat, die erklärt, wie Kommunikation möglich ist. Was in (9) jedoch formuliert ist, ist Unsinn.

TIPP Achten Sie bei der Wiederaufnahme eines Sachverhalts mit Ausdrücken wie dies, dabei oder hier immer darauf, ob ausreichend klar ist, auf welchen Sachverhalt sie sich beziehen. Im Zweifelsfall wählen Sie einen anderen Ausdruck, der den Bezug eindeutig macht.

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3.2 Wissensprobleme bei der Koreferenz mit Kennzeichnungen

Man kann den Bezug auf einen Gegenstand mit einer Kennzeichnung wieder aufnehmen, die den Gegenstand in einer ganz bestimmten Hinsicht charakterisiert, die im Vorgängersatz keine Rolle gespielt hat.
Beispiele kennen wir aus der Sportberichterstattung:

(1)  (a)Steffi Graf spielte bei dieser Gelegenheit nochmals gegen Martina Navratilova. (b) Die Dreiundvierzigjährige hielt sich sehr gut.

Um den Rückbezug von die Dreiundvierzigjährige zu verstehen, muss man wissen, welche von den beiden Spielerinnen zum Zeitpunkt des Berichts dieses Alter erreicht hatte. Ähnliches finden wir auch in wissenschaftlichen Texten:

(2)  (a) Sowohl bei Haider als auch bei Heringer wird angenommen, dass das Subjekt VP-intern ist. (b) Für den Dependenzgrammatiker ist dies die traditionelle Auffassung, während es für den Generativisten ein eher unorthodoxer Standpunkt ist.

Um zu verstehen, auf wen sich die Kennzeichnungen (für) den Generativisten und (für) den Dependenzgrammatiker beziehen, muss der Leser wissen, welcher der beiden genannten Wissenschaftler welche Syntaxtheorie vertritt. Wenn man nicht annehmen kann, dass die Leser dieses Wissen besitzen, muss man in (b) den Rückbezug auf (a) mit anderen Mitteln herstellen.

PROBLEM Bei der Wiederaufnahme des Bezugs mit einer Kennzeichnung (Nominalphrase) setzt man häufig zusätzliches Wissen voraus. Leser, die dieses Wissen nicht haben, verstehen den Bezug nicht.
TIPP Fragen Sie sich bei der Wiederaufnahme des Bezugs mit einer Kennzeichnung immer, ob Ihre Leser das Wissen haben, das zum Verständnis des Bezugs nötig ist.

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4. Übung zur Koreferenz

Aufgabe - Zur Musterlösung
Untersuchen Sie folgende Ausschnitte aus studentischen Textzusammenfassungen auf Koreferenzmängel hin. Zeigen Sie, welche Verstehensprobleme diese Koreferenzmängel erzeugen und schlagen Sie, wenn möglich, bessere Formulierungen vor.

(1)  So wird der Wert der Vorstellung erst wirklich unabdingbar, wenn es um sehr spezielle Dinge geht und dieses nur unter zu Hilfenahme der richtigen Vorstellung möglich ist.
(2)  (a) Außerdem verdeutlicht Muckenhaupt zwei Fehlentwicklungen und nennt Beispiele hierfür (Verweis auf S. 10, Abschnitt 8). (b) Sie seien praxisfern und würden keine Lösung anbieten.
(3)  (a) Diese Definition ruft Missverständnisse hervor. (b) George Pitcher kritisiert, dass Wittgensteins Begriffserklärung unzulänglich ist, da er nicht die große Klasse einschränkt bzw. die Ausnahmefälle benennt. (c) Außerdem verwechselt er die "Benützung des Wortes Bedeutung" mit einer Vielzahl von Wortbedeutungen.
(4)  (a) In dem Kapitel "Wittgensteins instrumentalistische Zeichenauffassung" von Rudi Keller geht es um Bedeutungstheorien. (b) Dabei geht er besonders auf Wittgensteins Theorie ein.
(5)  (a) Trotz dieser Feststellungen, die gegen die Vorstellungstheorie sprechen, fiele es aber immer noch manchen schwer zu akzeptieren, dass die Bedeutungshaftigkeit eines Wortes nur in ihrem regelhaften Gebrauch bestehe. (b) Keller versucht dies noch mal zu verdeutlichen.

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5. Literatur

Gute und leicht verständliche Darstellungen der Koreferenz sind Mangelware.

Eine einfache Einführung in wichtige Grundgedanken bietet
Heringer, Hans Jürgen (1989): Grammatik und Stil. Praktische Grammatik des Deutschen. Frankfurt am Main: Cornelsen (Abschnitt "Verweisstrukturen", S. 338-345).

Schwieriger zu lesen ist
das Kapitel "Formen der Themafortführung und Themenentwicklung" in: Zifonun, Gisela/ Hoffmann, Ludger/ Strecker, Bruno (1997): Grammatik der deutschen Sprache. Bd. 1. Berlin/ New York, 539-563.

Koreferenz in Dialogen (mit einschlägigen Hinweisen zur Koreferenz in Texten) behandelt:
Fritz, Gerd (1997): Coreference in dialogue. In: Weigand, Edda (ed.): Dialogue analysis: Units, relations and strategies beyond the sentence. Tübingen, 75-88.

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