Funktionale Textbausteine 3 - Beschreibung
1. Was ist eine linguistische Beschreibung?
2. Beschreiben, Vorschreiben/Empfehlen, Erklären, Analysieren -
zur Unterscheidung einiger linguistischer Handlungsformen
3. Grundlegende Aspekte des Beschreibens
4. Übungen zum Erkennen von Beschreibungen
5. Literatur
Was eine Beschreibung ist, könnte man etwa folgendermaßen charakterisieren:
Man kann einen Gegenstand beschreiben, indem man (mehrere) Eigenschaften des Gegenstands angibt, oder, allgemeiner gesagt, indem man Näheres über den Gegenstand sagt. Eine Beschreibung ist eine Antwort auf die Frage, wie der Gegenstand aussieht, wie er aufgebaut ist oder wie er funktioniert.
In der wissenschaftlichen Praxis der Sprachwissenschaft spielt das
Beschreiben eine besonders wichtige Rolle. Dementsprechend kommen in
linguistischen Texten häufig Beschreibungen als funktionale
Textbausteine vor. Man beschreibt in der Linguistik ganz
unterschiedliche Arten von Gegenständen, beispielsweise
- das Lautsystem des Deutschen,
- die Pluralmorphologie des Deutschen,
- die Wortstellungsregularitäten im Mittelfeld,
- die Bedeutung eines Ausdrucks,
- typische Dialogverläufe,
- die Sprachkompetenz eines Dreijährigen usw.
Ein Beispiel
Nehmen wir als Beispiel für eine linguistische Beschreibung eine
Bedeutungsbeschreibung. Wir können die Bedeutung des Adjektivs
scharf beschreiben, indem wir verschiedene
Bedeutungseigenschaften des Wortes angeben, z.B.
- mit welchen anderen Ausdrücken scharf häufig zusammen vorkommt (Messer, Augen, Essig, Kritik)
- welche Verbindungen unterschiedliche Verwendungsweisen haben:
scharfe Nase ('kantiger Nasenrücken' und 'guter
Geruchssinn').
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Man kann einige Besonderheiten des Beschreibens erläutern, indem man das Beschreiben mit anderen Handlungsformen vergleicht, z.B. mit dem Vorschreiben, dem Erklären oder dem Analysieren. Für die Sprachwissenschaft ist die Unterscheidung zwischen dem Beschreiben und dem Vorschreiben oder Empfehlen grundlegend. Man kann beschreiben, wie die Sprecher des Deutschen ihre Sätze bilden (eine deskriptive Äußerung ), und man kann Vorschreiben oder Empfehlen, wie die Sprecher des Deutschen ihre Sätze bilden sollten (eine normative oder präskriptive Äußerung).
Beispiele für eine Beschreibung und eine normative Angabe sind (1) und
(2)
(1) |
Präpositionen legen das von ihnen angeschlossene Wort, sofern es deklinabel ist, im Kasus (Akkusativ, Dativ oder Genitiv) fest. [...] Einige Präpositionen regieren nur einen Kasus, andere zwei, und die Präpositionen außer und entlang können sogar mit dem Genitiv, Dativ und Akkusativ verbunden werden. (Duden-Grammatik, 6. Aufl., 392)
|
(2) |
auf etwas Bezug haben (dafür besser sich auf etwas
beziehen)(Duden-Rechtschreibung, 21. Aufl., 165)
|
Mit (1) werden einige Besonderheiten der Rektion der Präpositionen im Deutschen angegeben, während mit (2) angeben wird, dass man statt auf etwas Bezug haben besser sich auf etwas beziehen schreiben sollte.
Die moderne Sprachwissenschaft ist im Wesentlichen deskriptiv, d.h. Sprachwissenschaftler verfolgen zumeist das Ziel, zu beschreiben, wie eine Sprache gebaut ist oder verwendet wird. Nicht immer ist die Grenze zwischen deskriptiv und normativ allerdings so einfach zu ziehen wie in unseren Beispielen (1) und (2).
Auch der Unterschied zwischen Beschreiben und Erklären spielt eine wichtige Rolle in der Sprachwissenschaft. Man kann z.B. Wortstellungsregeln des Deutschen beschreiben und man kann versuchen zu erklären, warum diese Regeln so gebaut sind, indem man zu zeigen versucht, dass diese Regeln allgemeinen Prinzipien des Sprachbaus folgen. Oder man kann beschreiben, wie sich die Bedeutung eines Wortes von 1800 bis 2000 verändert hat, und man kann zu erklären versuchen, warum sich die Bedeutung des Wortes verändert hat.
Ein weiterer Unterschied, der oft gemacht wird, ist der zwischen
Beschreiben und Analysieren. Von Analysieren
(auch von Untersuchen) spricht man in erster Linie dann, wenn
in einem Stück Text bestimmte Analyseoperationen durchgeführt werden,
z.B. Vertauschungs- und Umstellungstests, die dann zu einem Überblick
über Eigenschaften des Gegenstands führen. Nehmen wir an, jemand führt
in einem Text verschiedene Tests vor, die zeigen sollen, dass die
Ausdrücke alle und jede(r) unterschiedliche
Stellungseigenschaften haben - also z.B. Satzlisten wie (3a) bis
(3d). In diesem Fall sprechen wir von einer Analyse oder
Untersuchung der Stellungseigenschaften von alle und
jeder:
(3)(a) |
Alle Eltern sind so
|
Wenn der Verfasser nun die Ergebnisse dieser Analyse im Überblick darstellt, könnten wir von einer Beschreibung der Stellungseigenschaften von "jeder" sprechen.
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Vier grundlegende Aspekte des Beschreibens kann man mit folgendem Satz zeigen:
(1) |
Man beschreibt
- einen Gegenstand
- für jemanden
- unter einem bestimmten Aspekt
- zu einem bestimmten Zweck.
|
Die Art des Gegenstands bestimmt die Arten von Eigenschaften,
die für die Beschreibung eine Rolle spielen sowie mögliche Aspekte
der Beschreibung. Sätze kann man unter dem Aspekt ihres Aufbaus
und ihrer Verwendung in Texten beschreiben. Laute wird man eher unter
dem Aspekt ihrer Artikulation oder ihres Zusammen-Vorkommens mit
anderen Lauten beschreiben. Wer der Adressat der Beschreibung
sein soll, bestimmt häufig, welche Form die Beschreibung hat und
welche Aspekte hervorgehoben werden. Eine Beschreibung der Satzformen
in einer Schulgrammatik wird einfacher und für Schüler verständlicher
geschrieben sein als eine Beschreibung der Satzformen in einer
wissenschaftlichen Grammatik. Möglicherweise werden auch
unterschiedliche Aspekte der Satzformen berücksichtigt
werden. Dementsprechend werden auch unterschiedliche
Qualitätskriterien angelegt. Im Fall der wissenschaftlichen
Grammatik werden möglicherweise die Maßstäbe für Vollständigkeit,
Differenziertheit, Theoriebezogenheit der Beschreibung besonders
streng sein, während im Fall der Schulgrammatik vielleicht die
didaktische Relevanz im Vordergrund steht. Schließlich wird die Form
der Beschreibung auch von ihrem Zweck abhängen. Eine
linguistische Beschreibung, die einen ersten Überblick über den
Gegenstandsbereich geben soll oder die als Grundlage für ein
Unterrichtswerk dienen soll, wird möglicherweise eine andere Form
haben als eine Beschreibung, die den Ausgangspunkt für ein
Forschungsprojekt bilden soll.
TIPP |
Wenn man linguistische Beschreibungen liest, wiedergibt oder selbst
macht, muss man die eben genannten Aspekte von Beschreibungen im Auge
behalten. Man sollte sich insbesondere fragen:
- Was ist der Gegenstand der Beschreibung?
- Welche Funktion hat die Beschreibung?
- Welche Aspekte des Gegenstands werden behandelt?
- Wie hängen die ausgewählten Aspekte des Gegenstands mit
dem Zweck der Beschreibung zusammen?
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Aufgabe 1 Zur Musterlösung
Geben Sie an, welchen beiden wissenschaftlichen Handlungsformen
bzw. funktionalen Textbausteinen die beiden Abschnitte in Text 1
zugeordnet werden können.
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Text 1
In der indirekten Rede können unterschiedliche Konjunktivformen
gewählt werden. Es wird sowohl der Konjunktiv I als auch der
Konjunktiv II verwendet. Aus grammatischer Sicht ist in der
gesprochenen Sprache die Wahl zwischen (1) und (2) frei:
(1) |
Stefan hat gefragt, ob wir schon fertig seien
|
(2) |
Stefan hat gefragt, ob wir schon fertig wären
|
Für die geschriebene Standardsprache lässt sich die folgende Empfehlung aussprechen: Wenn eindeutige Formen des Konjunktivs I zur Verfügung stehen, sind sie gegenüber Formen des Konjunktivs II vorzuziehen. Als eindeutig gelten die Konjunktivformen, die sich äußerlich vom Indikativ unterscheiden.
(vgl. Duden-Grammatik, 6. Aufl., 784)
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Aufgabe 2 Zur Musterlösung
Welches ist der Gegenstand der Beschreibung in Text 2? Welche Aspekte des Gegenstands werden beschrieben? Welchen weitergehenden Zweck könnte dieser Abschnitt haben? (Welches Indiz gibt es für diesen weitergehenden Zweck?)
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Text 2
Bei der Betrachtung von Satzarten im Deutschen kann man Formtypen und
Funktionstypen unterscheiden. Die wichtigsten Formtypen von Sätzen
sind Verb-Erst (1), Verb-Zweit (2) und Verb-Letzt (3):
(3) |
dass du morgen kommst.
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Funktionstypen sind beispielsweise die Verwendung als Frage oder die Verwendung als Aufforderung. Entgegen der gängigen Auffassung sieht man bei der Untersuchung der Zuordnung von Formtypen zu Funktionstypen, dass es keine 1:1-Zuordnung gibt. Beispielsweise kann man mit einem Verb-Zweit-Satz wie (2) sowohl eine Behauptung machen als auch (mit steigender Intonation) eine Frage stellen als auch eine Aufforderung machen.
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Heringer, Hans Jürgen (1974): Eine Regel beschreiben. In: Heringer, Hans Jürgen (Hg.): Seminar: Der Regelbegriff in der praktischen Semantik. Frankfurt am Main, 48-87.
Toulmin, Stephen E./ Baier, Kurt (1952): On describing. In: Mind 61, 13-38. Übersetzung in: Savigny, Eike von (Hg.)(1969): Philosophie und normale Sprache. München, 191-223.
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