Schreibkompetenz: Zusammenfassungen
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Institut für Germanistik
Gerd Fritz
 

5. Zusammenfassungen beurteilen - Übungen

  1. Erstes Negativbeispiel
  2. Zweites Negativbeispiel

5.1 Erstes Negativbeispiel

5.1.1 Aufgabe zur Bearbeitung

Aufgabe 1 - Zur detaillierten Problemanalyse
Bei dem folgenden Text handelt es sich um ein Musterbeispiel einer schlechten Zusammenfassung des 6. Kapitels "Wittgensteins instrumentalistische Zeichenauffassung" aus Rudi Kellers Buch. Ihre Aufgabe besteht hier darin, eine Problemdiagnose des Textes zu erarbeiten.
Sie können dabei entweder selbständig auf Fehlersuche gehen und dazu die untenstehende Liste der Problemfelder zu Rate ziehen, oder Sie entscheiden sich für die detaillierte Problemanalyse, die den Text Abschnitt für Abschnitt aufschlüsselt und ausführlich auf alle möglichen Schwachpunkte eingeht.
Stellen Sie sich vor, sie hätten den Auftrag der Autorin (z.B. einer Kommilitonin), den Text auf Fehler und inhaltliche Mängel zu prüfen und ihr ein entsprechendes Feedback zu geben. Versuchen Sie, eine detaillierte Fehlerliste und -beschreibung anzufertigen.

Sie werden feststellen, dass einige Schwächen dieser Zusammenfassung sich nicht eindeutig voneinander abgrenzen lassen bzw. sich überlagern oder gegenseitig bedingen. Dieses Phänomen soll Sie nicht irritieren, sondern die Wichtigkeit einer intensiven Auseinandersetzung mit Texten unterstreichen. Dies gilt sowohl für den Ausgangstext als auch für das Resultat Ihrer Arbeit, die Zusammenfassung.

Eine Übersicht über einige charakteristische und häufig auftretende Fehlertypen finden Sie hier:

  • Wortwahl/ Ausdrucksschwächen
    Problem: Verwendung von falschen/ ungenauen Wörtern, Ausdrücken und festen Wendungen
  • Satzverknüpfungen
    Problem: Wahl der falschen Satzverknüpfungsmittel (Konnektoren)
    vergl. Problemtyp Satzverknüpfungen
  • Bezugnahme (Referenz)
    Problem: häufig ist unklar, auf welche Sachverhalte sich Wörter bzw. Phrasen oder ganze Sätze beziehen
    vergl. Problemtyp Referenz
  • Redewiedergabe
    Problem: oft werden Zitate nicht bzw. nur ungenügend gekennzeichnet oder sogar falsch wiedergegeben
    vergl. Problemtyp Zitate
  • Leichtsinnsfehler, die durch unzureichende Nachbearbeitung des Textes entstehen
    vergl. Lesetipps bzw. Tipps zum Schreiben
  • Zu lange und komplexe Satzgefüge ("Schachtelsätze") erschweren das Verstehen
  • Umgangssprache
    Problem: kann sinnentstellend wirken und ist nicht angebracht in wissenschaftlichen Texten
  • Kongruenzfehler
  • Überflüssige Informationen werden oft beibehalten

5.1.2 Musterbeispiel

Der Text "Zeichentheorie. Zu einer Theorie semiotischen Wissens" von Rudi Keller befasst sich mit den Theorien des Philosophen Wittgensteins. Er beschäftigt sich mit der Bedeutung von Zeichen und wie diese verknüpft sind. Man kann den Text in zwölf Abschnitte unterteilen, am Ende einiger Abschnitte findet der Leser ein Fazit des zuvor Ausgesagten. Die Schreibweise des Autors ist sehr systematisch und erleichtert dem Leser das Textverständnis.
In seiner Hauptthese erwähnt Keller die Vorstellungstheorie, die jedem Zeichen eine Vorstellung, d.h. also eine Bedeutung, zuweist, und beschäftigt sich mit ihren Problemen. Mit seinen sieben Punkten, die er durchspricht, stellt er fest, dass die Vorstellungen, die wir beim Kommunizieren haben, auf keinen Fall die Bedeutung haben, die ihnen die Vorstellungstheorie beimessen will. Der Autor, welcher die Vorstellung lediglich als Begleiterscheinung des Kommunizierens sieht, merkt weiterhin an, dass die Vorstellung völlig unabhängig sei von dem, was ausgedrückt bzw. verstanden würde.
Des Weiteren schreibt er, dass einem Wort genau eine Bedeutung zugeteilt werden kann. Jedes Wort enthält verschiedene Interpretationsmöglichkeiten, die auf dieses angewendet werden können. Weiter schreibt Keller über den Repräsentationscharakter eines Zeichens.
Keller versucht nun, eine Gebrauchstheorie aufzustellen unter zur Hilfe nahme von Paragraph 43 aus Wittgensteins philosophischen Untersuchungen. Er reißt hier kurz Freges Theorie, dass die Bedeutung eines Namens sein Träger ist und wiederlegt sie durch Beispiele.
Er kommt zu dem Fazit, dass "die Bedeutung eines Wortes sein Gebrauch in der Sprache ist." Trotz dieser ganzen Feststellungen, die gegen die Vorstellungstheorie sprechen, fiele es aber immer noch manchen schwer zu akzeptieren, dass die Bedeutungshaftigkeit eines Wortes nur in ihrem regelhaften Gebrauch besteht. Der Autor grenzt sich somit von der kognitiven Semantik ab, welche behauptet, dass Bedeutungen im Kopf entstehen, womit wir wieder bei der von Rudi Keller abgelehnten Vorstellungstheorie wären.
Diese Bedeutungskonzeption beinhaltet die Theorie, dass eine Bedeutung kein festes Konzept hat, sondern etwas "Handliches" präsentieren. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Bedeutungen etwas Greifbares sind und sich nicht nur im Kopf befinden.
Laut Wittgenstein soll die Bedeutung die Basis des Verstehens sein und nicht dessen Ergebnis. Daraus schließt Wittgenstein, dass mit dem Ausdruck Gebrauch nicht einzelne Gebrauchsinstanzen gemeint sind, sondern die Gebrauchsweise in der Sprache, also die Regel des Gebrauchs.
Zum Abschluss geht Wittgenstein darauf ein, wie überhaupt Regeln entstehen und sich in unserem kollektiven Bewusstsein so festsetzen, dass wir die sanktionieren, die diesen Regeln nicht folgen. Er beschreibt, wie die Theoretiker der von ihm behandelten Auffassungen auf dieses Phänomen reagieren könnten.

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5.2 Zweites Negativbeispiel

5.2.1 Aufgabe zur Bearbeitung

Hinweis zur Entstehung des Texts: Text 1 wurde in einem Einführungskurs Sprachwissenschaft geschrieben. Die Aufgabe beim Schreiben des Texts bestand darin, eine Kurzzusammenfassung des im Seminar gelesenen Einführungskapitels aus Muckenhaupts "Lernziel Sprachliches Handeln" (Muckenhaupt 1978) zu geben. Die Zusammenfassung sollte einer in dieser Sitzung abwesenden Studentin die wichtigsten Informationen über Ziele des Autors, Themen und Hauptgedanken in diesem Kapitel zugänglich machen.
Bearbeitungshinweis: Ziehen Sie als Informationsquelle und Vergleichsmaterial ggf. Text 2 heran. Zur leichteren Bezugnahme sind die Sätze in den Texten nummeriert.

Aufgabe 2 - Zur Musterlösung
Analysieren Sie Text 1 unter folgenden Aspekten:
  1. Welche Probleme hat die Leserin bei der Identifikation der Gegenstände, von denen die Rede ist (Probleme der Referenz)? Wodurch werden diese Probleme verursacht?
  2. Wie weit wird erkennbar, welches die Auffassung des Autors Muckenhaupt und welches die Auffassung der Verfasserin ist?
  3. Zeigen Sie Probleme der Satzverknüpfung (Satzverknüpfer, Koreferenz), z.B. (2)/(3), (7)-(10), (11)/(12), (13)/(14).
  4. Zeigen Sie ggf. weitere Probleme/ Mängel des Texts.

5.2.2 Text 1

(1) Kurzzusammenfassung von: Muckenhaupt, Manfred: Lernziel Sprachliches Handeln. Beispiele für einen kommunikativen Sprachunterricht in der Sekundarstufe 1. München: Eberwirth, 1978. (Kap. 1: Grundlagen des kommunikativen Sprachunterrichts, S. 9-13).

(2) In diesem Kapitel geht es um die allgemeinen Lernziele und die Didaktik. (3) Muckenhaupt gibt mehrere Beispiele hierfür und erläutert diese oder macht Vermerke auf weitere Kapitel (s. S. 12, Abschnitt 12-13). (4) Außerdem versucht er "sprachliches Handeln" einheitlich in den Lehrplan unterzubringen.
(5) Sprechen besteht nicht nur aus Wörtern und Sätzen, sondern Sprechen ist auch Handeln. (6) Um eine gegenseitige Verständigung möglichen zu machen, befolgt man Regeln, die gelernt werden müssen.
(7) Man kann keine Themen unabhängig voneinander bewältigen, sondern man muss eine "Übersicht" schaffen. (8) Nur so kann "planvolles Lehren und Lernen" (S. 10, Abschnitt 6) erreicht werden. (9) Eine Auswahl von Lernzielen und die Reihenfolge der Lernschritte (S.10, Abschnitt 6) kann nur so erfolgen. (10) Am Beispiel "Vorwerfen und Entgegnen" verdeutlicht Muckenhaupt dies. (11) Es gibt keine bundeseinheitliche Regelung und es gibt keine Kontinuität, da manche Lernziele weder vorbereitet noch fortgesetzt werden. (12) Die Unterrichtsmaterialien spielen auch eine wichtige Rolle, da sie zur Verständigung dienen.
(13) Außerdem verdeutlicht Muckenhaupt zwei Fehlentwicklungen und nennt Beispiele hierfür (Verweis auf S. 10, Abschnitt 8). (14) Sie seien praxisfern und würden keine Lösung anbieten. (15) Muckenhaupt hingegen bietet Löungsvorschläge an, indem er Erfolgsbeispiele nennt. (16) Sie seien "auf planvolles Lehren und Lernen ausgerichtet" (S. 12, Abschnitt 15) und dienen als "Grundlage eines systematischen Angebots, (um) einen offenen Unterricht zu gestalten" (S.12, Abschnitt 15).

5.2.2 Text 2

Textzusammenfassung

(1) In der Einleitung zu seinem Buch "Lernziel sprachliches Handeln" (München: Ehrenwirth 1978) behandelt Manfred Muckenhaupt die Frage, wie man die allgemeinen Lernziele des Erstsprachunterrichts im Bereich der kommunikativen Fähigkeiten begründen und konkretisieren kann. (2) Als grundlegende Aspekte dieser Konkretisierung nennt er die begründete Auswahl bestimmter kommunikativer Fähigkeiten, die Berücksichtigung der Voraussetzungen der Schüler (Diagnose von Fähigkeiten), die methodischen Fragen der Konstruktion und Durchführung von Unterrichtseinheiten und die Lernerfolgskontrolle. (3) Er vertritt die Auffassung, dass ein planvolles Lehren und Lernen eine Übersicht über die Zusammenhänge des sprachlichen Handelns voraussetzt (z.B. den Zusammenhang von Vorwürfen und den Reaktionsmöglichkeiten auf Vorwürfe). (4) Er kritisiert die nachträgliche Didaktisierung praxisferner wissenschaftlicher Sprachtheorien wie der Chomskyschen Theorie der grammatischen Kompetenz und wendet sich gegen "additive Auffassungen" der sprachlichen Kompetenz, die der grammatischen Kompetenz eine "pragmatische Komponente" anhängen. (5) Er selbst vertritt eine integrative Sprachauffassung, in der die Form und die Verwendung von sprachlichen Ausdrücken von vornherein im Zusammenhang behandelt werden sollen. (6) Grundlegend für diese Auffassung ist der Regelbegriff, wie er in Heringers "Praktische(r) Semantik" (1974) näher ausgeführt ist. (7) Muckenhaupt kritisiert die fehlende Systematik und Kontinuität des Aufbaus kommunikativer Fähigkeiten in den gängigen Lehrplänen und versucht, den Einwand auszuräumen, dass die systematische Konstruktion von Unterrichtsentwürfen die Entscheidungsfreiheit von Lehrern und Schülern im Unterricht einschränkt. (8) Seine eigenen Vorschläge für Unterrichtseinheiten zu Vorwurfs- und Aufforderungskommunikationen versteht er als ein Plädoyer für einen planvollen kommunikativen Sprachunterricht.

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Verschaffen Sie sich einen abschließenden Überblick mit der Checkliste zum Schreiben von Zusammenfassungen und vergleichen Sie Ihre Zusammenfassung des Ausgangstextes mit der Musterlösung!