Schreibkompetenz: Zusammenfassungen
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Institut für Germanistik
Gerd Fritz
 

Funktionale Textbausteine 2 - Argument/ Argumentation

1. Was ist ein Argument?
2. Was ist eine Argumentation?
3. Woran erkennt man eine Argumentation?
4. Argumente gegen eine These
5. Zur Qualität von Argumenten
6. Beispiele für Argumente im Ausgangstext
7. Ein Beispiel für Argumentation in einem weiteren linguistischen Text (ein etwas schwierigeres Beispiel)
8. Zwei Übungen zum Erkennen von Argumenten
8.1 Eine einfache Übung
8.2 Eine etwas schwierigere Übung
9. Literatur zum Thema Argumentation

1. Was ist ein Argument?

Ein Argument ist eine Behauptung, mit der man eine andere, umstrittene Behauptung stützen kann. Eine solche umstrittene Behauptung bezeichnet man manchmal als eine These.

(Auch Vorschläge oder Vermutungen können argumentativ gestützt werden, aber wir beschäftigen uns hier vor allem mit der Stützung von Behauptungen in wissenschaftlichen Texten.)

Ein Beispiel:

A behauptet, dass Karls Bruder ein hervorragender Musiker ist. (die These)
B bestreitet dies.
Nun kann A seine Behauptung verteidigen, indem er sie durch eine zweite Behauptung stützt, z.B. die Behauptung, dass Karls Bruder bei den Berliner Philharmonikern spielt. (das Argument)

Nehmen wir nun an, dass B

  1. die Behauptung akzeptiert, dass Karls Bruder bei den Berliner Philharmonikern spielt, und
  2. die Annahme akzeptiert, dass alle Musiker, die bei den Berliner Philharmonikern spielen, hervorragende Musiker sind,
dann muss B auch akzeptieren, dass Karls Bruder ein hervorragender Musiker ist - die Behauptung, die er ursprünglich bestritten hatte.

In diesem Falle ist die Behauptung, dass Karls Bruder bei den Berliner Philharmonikern spielt, ein Argument für die umstrittene Behauptung (die These), dass dieser ein hervorragender Musiker ist. Die besondere Stärke dieses Arguments besteht darin, dass aus diesem Argument und der in (ii) genannten Annahme - der allgemeinen Annahme über die Qualität von Musikern, die bei den Berliner Philharmonikern spielen - die umstrittene Behauptung logisch folgt.

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2. Was ist eine Argumentation?

Als Argumentation bezeichnet man meist eine Kommunikation, in der eine Behauptung gemacht, bestritten und gestützt wird, wie in dem Beispiel im Abschnitt 1. "Was ist ein Argument?". Manchmal bezeichnet man aber auch den Zusammenhang von Behauptungen (und Annahmen) eines Sprechers in einer solchen Kommunikation als seine Argumentation.

Die Argumentation von A in unserem Beispiel hat folgenden Aufbau:
(1)  A behauptet, dass Karls Bruder ein hervorragender Musiker ist.
(2)  A nimmt an, dass alle Musiker, die bei den Berliner Philharmonikern spielen, hervorragende Musiker sind.
(3)  A behauptet, dass Karls Bruder bei den Berliner Philharmonikern spielt.

Die Behauptung in (3) und die Annahme in (2) erlauben zusammen den Schluss auf die Behauptung in (1). Deshalb bezeichnen manche Autoren die gestützte Behauptung (die These) auch als Konklusion (lat. conclusio 'Schlussfolgerung'). Im Gespräch oder in einem Text erkennt man die Konklusion manchmal an der Verwendung von also: Karls Bruder spielt bei den Berliner Philharmonikern, also ist er ein hervorragender Musiker.

Argumentationen in wissenschaftlichen Texten sind häufig viel komplexer, weil die Argumente und die Hintergrundannahmen ihrerseits umstritten sein können, so dass der Autor auch diese stützen muss.
Im aktuellen Text sieht man oft erst dann, dass bestimmte Sätze als Argumente verwendet wurden, wenn die Konklusion gebracht wird. In einem solchen Fall muss man als Leser möglicherweise im Text nochmals zurückgehen und nachprüfen, in welcher Weise die Argumente eingesetzt wurden und welche Hintegrundannahmen dabei jeweils benutzt wurden.

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3. Woran erkennt man eine Argumentation?

  1. Das sicherste Merkmal einer Argumentation ist die Verbindung von Behauptung und Stützung dieser Behauptung. Diese Kombination ist aber nicht immer leicht zu erkennen. Das liegt manchmal daran, dass die Hintergrundannahmen, die das Argument zu einem Argument machen, nicht im Text ausgedrückt sind, sondern vorausgesetzt werden. Als Leser muss man auf Hinweise achten, welche Behauptungen umstritten sind. Wenn man eine solche Behauptung entdeckt hat, muss man in der Umgebung dieser Behauptung nach anderen Behauptungen suchen, die dazu dienen könnten, die umstrittene Behauptung zu stützen.
  2. Weil beim Argumentieren das Ziehen von Schlüssen eine wichtige Rolle spielt, erkennt man Argumentationen häufig an den Ausdrücken, mit denen ein Schluss signalisiert wird: also, daher, folglich, daraus folgt, Fazit. Diese Ausdrücke leiten häufig die Konklusion ein.
  3. Die Argumente selbst werden manchmal mit da eingeleitet
    (Da er bei den Berliner Philharmonikern spielt, ...)
    oder mit weil nachgetragen
    (..., weil er bei den Berliner Philharmonikern spielt).
  4. Wenn die Annahmen explizit gemacht werden, die den Schluss vom Argument auf die Konklusion ermöglichen, geschieht das häufig in der Form wenn - dann
    (Wenn jemand bei den Berliner Philharmonikern spielt, dann ist er ein guter Musiker).

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4. Argumente gegen eine These

Der Fortschritt der Wissenschaft vollzieht sich oft durch Kritik an gängigen Auffassungen (Theorien, Behauptungen). Deshalb wird auch die Darstellung neuer Theorien oft durch eine Kritik an älteren Theorien vorbereitet (siehe auch Bewertung). Für das Verständnis solcher Texte ist es wichtig, diese Struktur zu erkennen. Ein Beispiel dafür ist unser Ausgangstext1, in dem Keller die Vorstellungstheorie kritisiert und anschließend zu zeigen versucht, dass eine Gebrauchstheorie den Vorteil hat, dass sie den Einwänden gegen die Vorstellungstheorie nicht ausgesetzt ist. (Drei weitere Beispiele für diese Form der Darstellung)
Bei dieser Form der Darstellung werden Argumente gegen bestimmte Thesen der kritisierten Theorie vorgebracht. (Man kann diese Argumente manchmal auch als Argumente für eine Gegenthese verstehen.) In Ausgangstext1 gibt Keller mit der Auswertung seiner Suggestivfragen auf S. 59f. sieben Argumente gegen die Auffassung, dass die Vorstellungstheorie eine brauchbare Bedeutungstheorie sei. Wie er das macht, zeigen wir am Beispiel von "ad 1" (S. 59, etwas gekürzt):
Argument: "Die Vorstellungstheorie wird vollständig unplausibel, wenn sie auf Konjunktionen wie ob [...] oder rein evaluative Ausdrücke wie gut [...] angewendet wird."
Hintergrundannahme: Wenn eine Bedeutungstheorie nicht plausibel auf alle Arten von Ausdrücken angewendet werden kann, dann ist sie keine brauchbare Bedeutungstheorie.
Konklusion: Die Vorstellungstheorie ist keine brauchbare Bedeutungstheorie.
Diese Konklusion widerspricht direkt der kritisierten Auffassung.

Eine Schwierigkeit beim Verstehen dieser Stelle in Kellers Text besteht darin, dass die Hintergrundannahme (an dieser Stelle) nicht explizit gemacht wird. Wir müssen sie erschließen auf dem Hintergrund der Ankündigung Kellers, dass er jetzt "auf die Probleme aufmerksam machen" will, "die mit einer solchen Theorie verbunden sind" (S. 58). Auch die genannte Konklusion wird erst am Ende des Abschnitts (auf S. 60) angedeutet: "Das Fazit ist: [...] Vorstellungen [...] spielen für die Kommunikation nicht die Rolle, die ihnen die Vorstellungstheorie beimißt." Also, so kann man folgern, ist die Vorstellungstheorie nach Kellers Auffassung keine brauchbare Bedeutungstheorie.

Drei Beispiele für die Einführung einer Theorie mit Hilfe der Kritik an anderen Theorien

  1. Der Grammatiker Noam Chomsky führte seine Konzeption der generativen Syntax in seinem Buch "Syntactic Structures" (1957) mit einer Kritik an der strukturalistischen Phrasenstrukturgrammatik (und anderen Grammatikmodellen) ein.
  2. Der Sprachphilosoph William P. Alston bereitete seine Darstellung einer Gebrauchstheorie der Bedeutung durch eine Kritik an verschiedenen Bedeutungstheorien vor, u.a. durch die Kritik an der Vorstellungstheorie (Alston 1964, Kap. 1 und 2). Alston ist also einer der Vorgänger von Keller.
  3. In neuerer Zeit haben verschiedene Vertreter der sog. kognitiven Semantik ihre theoretische Konzeption im Zusammenhang mit einer Kritik an der strukturalistischen Semantik dargestellt.

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5. Zur Qualität von Argumenten

Ein Argument ist dann stark,

  • wenn aus dem Argument und den Hintergrundannahmen die These/ Konklusion logisch folgt bzw. sehr wahrscheinlich gemacht werden kann und
  • wenn der Diskussionspartner Argument und Hintergrundannahmen akzeptiert.

Ob ein Argument stark ist, ist nicht immer von vornherein offensichtlich. Nehmen wir an, wir wollen die Behauptung (1) durch die Behauptung (2) stützen. Hier hängt die Stärke des Arguments (2) davon ab, ob der Diskussionspartner eine Annahme wie (3) akzeptiert:

(1)  Die Syntax ist ein autonomes Modul der Sprachfähigkeit.
(2)  Das hat Chomsky schon seit 1957 vertreten.
(3)  Wenn Chomsky eine Auffassung schon seit 1957 vertreten hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie zutreffend ist.

Ein Argument vom Typ (2) bezeichnet man als Autoritätsargument. Autoritätsargumente spielen z.B. dann eine wichtige Rolle, wenn man auf das Urteil von Experten angewiesen ist. Sie sind aber häufig umstritten, weil Annahmen vom Typ (3) ihrerseits umstritten sein können. (Chomsky könnte möglicherweise seit 1957 ununterbrochen eine verfehlte Auffassung vertreten haben.)

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6. Beispiele für Argumente im Ausgangstext

Der Ausgangstext ist ein argumentativer Text. Es werden umstrittene Thesen aufgestellt und gestützt, vor allem aber gängige Thesen argumentativ angegriffen (vgl. Punkt 4. in diesem Abschnitt).

1. Beispiel:

Nach Auffassung der Vorstellungstheoretiker (und ähnlich der kognitiven Semantiker) ist die Bedeutung eines Ausdrucks eine Vorstellung. Und Vorstellungen befinden sich in den Köpfen der Sprecher. Also befinden sich Bedeutungen sprachlicher Ausdrücke im Kopf. Keller stellt die Gegenbehauptung auf, dass die Bedeutungen sprachlicher Ausdrücke sich nicht im Kopf befinden. Dafür gibt er verschiedene Argumente. Eines davon finden wir auf S. 68. In der Liste der Vorteile einer gebrauchstheoretischen Bedeutungskonzeption findet sich unter Nr. 5 folgender Satz:

(1)  "Bedeutungen lassen sich vergleichen, untersuchen, überprüfen ohne Blick in den Kopf oder die Seele. Es genügt der Blick auf den Sprachgebrauch mit rein linguistischen Methoden [...]. "

Offensichtlich macht Keller nun eine zusätzliche Annahme, nämlich

(2)  Wenn sich Bedeutungen ohne Blick in den Kopf vergleichen, untersuchen und überprüfen lassen, dann befinden sie sich nicht im Kopf.

Aus (1) und (2) zusammen folgt (3):

(3)  Bedeutungen befinden sich nicht im Kopf.

Genau diese Behauptung, also die Gegenbehauptung zu einer vorstellungstheoretischen Behauptung, bringt Keller nun explizit als Fazit:

(4)  "Das Fazit ist: Bedeutungen sind nach diesem Konzept [...] weder im Kopf noch in der Seele [...]" (Keller 1995, 68).

Die Behauptung (1) ist also ein Argument für seine These. Sie stützt die These. Wer diese Behauptung und die Annahme (2) akzeptiert, muss auch die umstrittene These (3) in der Form des Fazits (4) akzeptieren.
Als Argument für eine Gegenbehauptung ist Kellers Argument ein Gegenargument gegen die These der Vorstellungstheoretiker. Wenn man das Argument akzeptiert, zeigt es, dass aus der Bedeutungsdefinition der Vorstellungstheorie Behauptungen abgeleitet werden können, die nicht akzeptabel sind. Auf diese Weise kann Keller zeigen, dass diese Bedeutungsdefinition unbrauchbar und damit auch die ganze Theorie problematisch ist.
Der ganze erste Abschnitt des Aufsatzes mit den sieben Suggestivfragen und der Auswertung der Suggestivfragen besteht im Wesentlichen darin, Gegenargumente gegen die Behauptung zu finden, dass die Vorstellungstheorie eine plausible Theorie ist.

2. Beispiel

Eine besonders interessante Variante des Gegenarguments hat folgende Struktur:

(5)  "ad 3: Wenn der kommunikative Gebrauch der Sprache im Austausch von Vorstellungen bestünde, müßten Vorstellungen nichtsprachlich kommunizierbar sein, um eine Sprache lehren zu können" (Keller 1995, 60).
(6)  Vorstellungen sind nicht nichtsprachlich kommunizierbar.
(7)  Also kann der kommunikative Gebrauch der Sprache nicht im Austausch von Vorstellungen bestehen. (Thesey bzw. Konklusion)

Man überlegt sich also, was der Fall sein müsste, wenn die These des Gegners richtig wäre (5). Und man versucht zu zeigen, dass aus dieser These bestimmte Sachverhalte folgen würden, die offensichtlich nicht gegeben sind (6). Also, kann man schließen, ist die These des Gegners falsch (7). Das Kreative und Wirksame dieser Art von Angriff auf eine These (oder Stützung einer Gegenthese) besteht darin, dass man auf unerwartete und unangenehme Konsequenzen der These aufmerksam macht.

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7. Ein Beispiel für eine Argumentation in einem anderen wissenschaftlichen Text

(ein etwas schwierigeres Beispiel)

Parallelen zwischen der Struktur von Sätzen und von Nominalphrasen

Eine bekannte Theorie der Phrasenstruktur, die sog. X-bar-Theorie, nimmt an, dass Sätze und Nominalphrasen in ihrer Struktur universell weitgehend parallel gebaut sind. Diese Auffassung kann man etwa mit Beispielen wie (1) und (2) plausibel machen:

(1)  Cäsar erobert die Stadt (Satz)
(2)  Cäsars Eroberung der Stadt (Nominalphrase)

Auf den letzten Seiten seines Buches "Grundriss der deutschen Grammatik. Der Satz (1999)" setzt sich Peter Eisenberg mit der Frage auseinander, ob diese Auffassung für die Grammatik des Deutschen zutrifft. Der letzte Satz des Buches lautet: "Für eine einzelsprachliche, syntaktisch fundierte Beschreibung der Verhältnisse erweisen sich die konstruktiven Gemeinsamkeiten von Nominalgruppe und Satz als peripher, die Unterschiede als zentral" (Eisenberg 1999, 410). Um diese Konklusion zu stützen, die der Auffassung der X-bar-Theorie direkt widerspricht, führt Eisenberg im vorhergehenden Abschnitt eine ganze Liste von Strukturunterschieden zwischen Satz und Nominalphrase (bei ihm: Nominalgruppe) an, die zusammengenommen ein Argument für seine Konklusion bilden.

Der Text der letzten beiden Abschnitte in Eisenbergs Buch, die zu der Konklusion hinführen: (Hier gehts mit Punkt 8 weiter)

Argumente gegen die Parallelität zwischen der Struktur von Sätzen und von Nominalphrasen

Text: Eisenberg, Peter (1999): Grundriss der deutschen Grammatik. Der Satz. Stuttgart/ Weimar: Metzler Verlag, 409f.

Kommen wir noch einmal auf den Vergleich zwischen Nominalgruppe und Satz. Im Anschluß an Generalisierungen, wie sie die generative Grammatik postuliert, diskutieren etwa Kolde (1985) und Vater (1986a) die Anwendbarkeit des X-bar-Konzeptes auf beide Konstruktionen. Um den jeweiligen Kern (Verb. bzw. Substantiv) gruppieren sich Komplemente und Adjunkte mit unterschiedlich fester Bindung. Es ergibt sich das Bild einer konzentrischen Figur. Diese Figur kann abgewandelt werden dadurch, daß eine Einheit einen anderen als ihren 'eigentlichen' Platz hinsichtlich des Kerns einnimmt. Durch solche Bewegungen wird der konzentrische Aufbau gestört, es entstehen Klammern als diskontinuierliche Konstituenten. Der topologische Vergleich zwischen NGr und Satz vollzieht sich wesentlich über den Begriff der Klammer.
Andere Arbeiten setzen am Feldbegriff mit der Frage an, wie weit man dieselbe Feldbegrifflichkeit zur Beschreibung von Sätzen und NGr verwenden kann (ausführlich Askedal 1986). Beide Verfahren decken gewisse Analogien auf, machen aber auch gravierende Unterschiede deutlich. Die Unterschiede sind u.E. in der Verschiedenheit der syntagmatischen Beziehungen zwischen dem jeweiligen Kern und seinen 'Begleitern' begründet. In der NGr liegt grundsätzlich kategoriale Rektion vor. Attribute sind fakultativ und ein wesentlicher Teil von ihnen kann mehrfach auftreten. Im Satz gibt es ebenfalls kategoriale Rektion (bezüglich des Subjekts und bezüglich der Adverbiale) und bestimmte Satzglieder können ebenfalls mehrfach auftreten (die Adverbiale), aber die syntaktische Subklassifizierung des Verbwortschatzes nach Zahl und Art der Ergänzungen spielt dennoch die entscheidende Rolle. Die Abfolge der Satzglieder ist damit prinzipiell anders geregelt als die der Attribute. Das Verb bestimmt die Abfolge der Ergänzungen, während das beim Substantiv wahrscheinlich nur hinsichtlich der Feinstruktur (etwa bei mehreren adjektivischen Attributen) der Fall ist. Auch der Klammerbegriff ist für beide Konstruktionen nicht derselbe, sofern man von einer Nominalklammer überhaupt sprechen möchte. Für eine einzelsprachliche, syntaktisch fundierte Beschreibung der Verhältnisse erweisen sich die konstruktiven Gemeinsamkeiten von Nominalgruppe und Satz als peripher, die Unterschiede als zentral.

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8. Zwei Übungen zum Erkennen von Argumenten

8.1 Eine einfache Übung

Aufgabe 1 - Zur Musterlösung
  1. Lesen Sie folgenden Text zunächst einmal durch.
  2. Notieren Sie sich beim zweiten Lesen,
    1. welches die vom Autor vertretene These ist,
    2. welche Behauptung er als Argument für diese These vorbringt,
    3. welche Annahme gemacht werden muss, damit die Behauptung als Argument gelten kann? (Wo wird diese Annahme ausgesprochen?)

Zur leichteren Bezugnahme sind die Sätze des Texts alphabetisch gekennzeichnet.

(a) Es gibt Autoren, die bezweifeln, dass das Wort scharf im Deutschen zwei Bedeutungen hat. (b) Dieser Zweifel besteht zu Unrecht. (c) Wenn ein Satz, in dem ein bestimmtes Wort vorkommt, in einem Sinne wahr und im anderen Sinne falsch sein kann, und dies nur an dem betreffenden Wort liegt, dann hat das Wort zwei Bedeutungen. (d) Machen wir den Versuch für das Wort scharf. (d) Der Satz (1) kann, im Sinne von (2) verstanden, wahr sein und, im Sinne von (3) verstanden, falsch sein:

(1)  Der Schauspieler hat eine scharfe Nase
(2)  Der Schauspieler hat eine Nase, mit der er sehr gut riechen kann
(3)  Der Schauspieler hat eine sehr bemerkenswerte Nase

(e) Es wäre sehr leicht denkbar, dass ein Schauspieler zwar eine sehr bemerkenswerte Nase hat, aber damit überhaupt nicht gut riechen kann. (f) Also hat das Wort scharf im Deutschen (mindestens) zwei Bedeutungen.

8.2 Eine etwas schwierigere Übung

Aufgabe 2 - Zur Musterlösung
  1. Lesen Sie folgenden Text zunächst einmal durch.
  2. Notieren Sie sich beim zweiten Lesen,
    1. welches die vom Autor vertretene These ist und gegen welche These er sich wendet.
    2. welche Argumente für und gegen diese Thesen gegeben werden und
    3. welche Hintergrundannahmen gemacht werden.
(Punkt (iii) ist der schwierigste Teil der Aufgabe.)

Zur leichteren Bezugnahme sind die Sätze des Texts alphabetisch gekennzeichnet.

(a) In älteren Grammatiken liest man manchmal, dass Pronomina für Nomina (Substantive) stehen. (b) Vermutlich soll das heißen, dass Pronomina anstelle von Substantiven im Satz verwendet werden können. (c) Diese Auffassung lässt sich nicht aufrechterhalten. (d) Es trifft zu, dass bestimmte Pronomina anstelle von Eigennamen im Satz verwendet werden können, wie Beispiel (1) zeigt:

(1)  Peter/ er hat es gesehen

(e) Es trifft jedoch nicht zu auf Gattungsbezeichnungen wie Bruder. (f) Ersetzen wir im Ausdruck mein Bruder das Substantiv durch ein Personalpronomen, so erhalten wir einen abweichenden Ausdruck:

(2)  *Mein er hat es gesehen

(g) Dagegen ergibt sich ein wohlgeformter Ausdruck, wenn wir die ganze Nominalphrase durch ein Personalpronomen ersetzen:

(3)  Mein Bruder/ er hat es gesehen

(h) Also "stehen" Pronomina "für" Nominalphrasen, d.h. sie lassen sich regelhaft mit ganzen Nominalphrasen austauschen (sie kommutieren mit Nominalphrasen). (i) Die Tatsache, dass sie mit Eigennamen kommutieren, ist darauf zurückzuführen, dass diese ebenfalls mit ganzen Nominalphrasen kommutieren, wie ein Vergleich von (1) und (3) zeigt.

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9. Literatur zum Thema Argumentation

Heringer, Hans Jürgen/ Öhlschläger, Günther, Strecker, Bruno/ Wimmer, Rainer (1977): Einführung in die praktische Semantik. Heidelberg: utb. (Kap. 13: Argumentieren.)
(Eine leicht verständliche Einführung in einige Grundgedanken der Argumentationslehre)

Öhlschläger, Günther (1979): Linguistische Überlegungen zu einer Theorie der Argumentation. Tübingen: Niemeyer.
(Gibt den theoretischen Hintergrund für den vorher genannten Text.)

Toulmin, Stephen (1958): The uses of argument. Cambridge: Cambridge University Press. Deutsche Übersetzung: Der Gebrauch von Argumenten. 2. Aufl. 1996. Weinheim: Beltz.
(Ein Klassiker)

van Eemeren, Frans/ Grootendorst, Rob/ Snoeck Henkemans, Francisca (2002): Argumentation. Analysis - Evalutation - Presentation. Mahwah, NJ.: Lawrence Erlbaum.
(Ein neuerer Überblick über die wichtigsten Aspekte des Argumentierens.)

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